Die USA waren schon vor Donald Trump ein gespaltenes Land, doch die Dimensionen des "Women's March" - des Marschs der Frauen - sind historisch einzigartig. Das verdankt sich nicht einfach Frustrierten, die einen Regierungswechsel nicht verkraften. Es ist ein Resultat von Trumps Weigerung, einend statt aggressiv aufzutreten. Die Demonstranten hatten sehr unterschiedliche Anliegen. Wenn Trump besonnen reagiert hätte, wäre die Bewegung wohl kurzlebig. Die totalitäre Burgmentalität, die er stattdessen zeigte, bestätigt schlimme Befürchtungen. Auf diese Weise lassen sich die USA nicht befrieden.
Im November hat der Immobilienmogul zwar versprochen, das Land zusammenzuführen. Doch die folgenden Wochen entlarvten Trumps Auftritt als Lippenbekenntnis. Bei seiner Vereidigungs-Rede am Freitag ließ er US-Grundwerte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie beiseite. Im Bruch mit jeglicher Tradition nutzte er sie stattdessen, um den Keil zwischen den Weltanschauungen im Land tiefer zu treiben. Kritik an seinem rassistisch gefärbten Wahlkampf erschlug er mit einer Scheinheiligkeit, die drohend klang: "Wenn man sein Herz dem Patriotismus öffnet, gibt es keinen Raum für Vorurteile", verkündete Trump. Das Fundament seiner Politik sei "totale" Loyalität mit den USA. Danach verschwanden nicht nur Einträge zum Klimaschutz von der Homepage des Weißen Hauses, sondern auch solche zu Bürgerrechten.
Es ist wenig erstaunlich, dass noch mehr Menschen protestierten als erwartet. Ein souveräner Präsident hätte das als Beispiel für politische Teilhabe und für das Recht auf freie Meinungsäußerung anerkennen können, das die USA vielen anderen Ländern voraushaben. Er hätte den Teilnehmern signalisiert, dass sie gehört werden. Doch Trump ignorierte das Ganze und sorgte sich nur um sein Image.
Dass er über ein leicht kränkbares Ego verfügt, war bekannt. Bei seinem bizarren Versuch, die eigenen Zuschauerzahlen nachträglich zu korrigieren, changierte der mächtigste Mann der Welt aber zwischen einem beleidigten Kleinkind und Diktatoren: Wenn sein Team einen Rekord wünscht, hat es ihn auch gegeben. Den Vergleich mit Tyrannen soll man nicht leichtfertig bemühen, und die Demonstrationen vom Wochenende erinnerten nicht zuletzt an die Stabilität der US- Demokratie. Dass Trumps Sprecher Reporter aber schon am zweiten Tag einbestellte, um sie für ihre "spalterische" Berichterstattung abzukanzeln, andere Themen vorgab und sie mit einer offensichtlichen Lüge entließ - das lässt nichts Gutes erahnen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Unsouverän
Jens Schmitz ist der Meinung, dass Donald Trumps Weigerung, einend statt aggressiv aufzutreten, den Protest verstärkt hat