Die öffentlichen Auftritte des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump folgen einem sattsam bekannten Muster: Zunächst klagt er über den Zustand, in dem er das Land übernommen habe und geißelt dann die Presse, um schließlich mit seinem Wahlsieg zu prahlen. Dass er seine pannengeplagte Regierung als "fein abgestimmte Maschine" bezeichnet, ist wohl Ansichtssache. Die nachprüfbaren Unwahrheiten aufzuzählen, die die Auftritte durchtränken, sprengt sämtliche Formate. Darin liegt Strategie.
Es gab genug Fälle, in denen Trump sich selbst widersprach: Er wetterte gegen das "illegale" Durchstechen offenbar authentischer Informationen, bezeichnete die daraus resultierenden Medienberichte aber als Lügen. Er pries sich als Vorbild der Vorurteilslosigkeit und ließ einer schwarzen Journalistin übelstes Schubladendenken angedeihen. Korrekturen durch einen Reporter perlten an ihm ab: "Keine Ahnung, diese Information wurde mir gegeben."
Statt Fehler einzugestehen, dreht die neue Regierung den Spieß einfach um: Aus Medien, die "alternative Fakten" richtigstellen, werden "Fake News"-Erzeuger. Im direkten Interview hatte die sonst wenig zimperliche Beraterin Kellyanne Conway ihrem Chef gerade widersprochen und eingeräumt, dass CNN natürlich keine Fake-News-Anstalt sei. Die Regierung weiß also, dass sie überzieht.
Doch Trump trifft etablierte Medien an einer empfindlichen Stelle. Gewissenhaftigkeit ist ihr wichtigstes Kapital. Indem er sie mit Erzeugern tatsächlich falscher Nachrichten in einen Topf wirft, bindet er sie an einen Ressourcen raubenden Nebenschauplatz.
Ignorieren können Journalisten die Unterminierung ihrer Glaubwürdigkeit trotzdem nicht. Trumps Lobbyisten haben längst erkennen lassen, dass sie einem bekannten Drehbuch folgen: Wo Wahrheit konstant unter widersprüchlichen Informationen verschwindet, da ersetzen Desinteresse und Zynismus den demokratischen Dialog. "Lassen Sie uns den Zeitungsartikeln nicht vertrauen", flötete kürzlich Kreml-Sprecher Dmitri Peskov, nachdem er einer Falschaussage überführt worden war. "Es ist nämlich sehr schwierig zu unterscheiden, was wahr und was falsch ist."
Trumps zweite Botschaft ist eine Kampfansage gegen Whistleblower. US-Präsidenten haben Durchstecher zu allen Zeiten bekämpft, nicht zuletzt Trumps Vorgänger Barack Obama. Wo Obama Informationen von nationalem Interesse zu schützen versuchte, ist Trump aber bislang nur um eines besorgt: den Schutz seines Ansehens und seiner Weltsicht.
Wer sich auf den Social-Media-Seiten treuer Anhänger tummelt, merkt schnell, dass es auch hier um mehr geht als Fakten. Eine Karikatur etwa zeigte kürzlich einen mürrischen Trump, dem vor einer verkohlten Journalistenschar noch der Qualm aus dem Mund stieg: "Noch irgendwelche Fragen?" Dass solche eigentlich kritischen Bilder von Trump-Fans mit Stolz geteilt werden, zeigt: Die Unangemessenheit seines Gebarens ist beiden Seiten bewusst, führt aber bei Anhängern nicht zu Kritik. Trump kämpft mit Gegnern um Dominanz, nicht ums bessere Argument. Seine Berater haben von Medien und Richtern offen Unterordnung gefordert. Teile seiner Anhängerschaft unterstützen diese Sichtweise. Sie wollen nicht diskutieren, sondern gewinnen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Strategie der Unwahrheit
Jens Schmitz zum Umgang des amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit Nachrichten