Dem Sieger steht Milde und Großzügigkeit immer gut an. So hält es auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der sich seit Sonntag zu Recht „designierter CSU-Vorsitzender“ nennen kann. Gleich gestern verkündete er, dass er seinen künftigen Amtsvorgänger Horst Seehofer nicht aus dem Amt des Bundesinnenministers drängen will. Und dass er ein neues „hoch kooperatives“ Verhältnis mit der Schwesterpartei CDU anstrebt. Der dramatische Zwist um die Migrationspolitik, den die CSU unter Seehofers Führung und mit Unterstützung Söders im Sommer angezettelt hatte, sei falsch gewesen, gab Söder mehrfach zu. Nicht mit diesen Worten, aber doch unmissverständlich.
Auch mit Europa hat Söder seinen Frieden gemacht. Früher waren von ihm sehr europaskeptische Töne zu vernehmen, jetzt verspricht der künftige Parteichef gar eine „euphorische“ Europapolitik und übt engsten Schulterschluss mit dem CSU-Europapolitiker Nummer eins Manfred Weber, der – wenn alles gut geht – sich in einem Jahr im Chefsessel der EU-Kommission wiederfinden könnte. Klar, dass sich da kein Parteichef dem Vorwurf aussetzen möchte, dem Kandidaten Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Dutzende Male gebrauchte Söder bei seinem Auftritt vor den Medien gestern die Vokabeln „stabil“ und „Stabilität“. Der Begriff „Erneuerung“ fiel zwar auch, aber weniger häufig. Söder ist offensichtlich überzeugt, dass er mit dem Versprechen, stabile Verhältnisse in einer stark verunsicherenden Zeit zu fördern, mehr Zustimmung bekommt als für schneidige Reformplänen. Und mehr Applaus für kooperativen Stil als für Seehofersche Konfrontationspolitik. Aus jedem zweiten Satz, den Söder am Montag vor Journalisten in München von sich gab, sprach ein „Wir haben verstanden“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Söders Friedensmission
Ralf Müller zum Wechsel an der CSU-Spitze: Der amtierende Ministerpräsident und designierte Parteichef gibt sich sanftmütig