Mehr als drei Jahre lang war der Wahltermin für ein neues Parlament in Kabul verschoben worden: dass in Afghanistan nun rund neun Millionen Wähler aufgerufen sind, ihre Stimme in einer Übung in Demokratie abzugeben, während die Hälfte des Landes von den aufständischen Taliban kontrolliert wird, scheint paradox.
Doch in den 17 Jahre, in denen der Westen mit dem Aufbau Afghanistans beschäftigt ist, haben sich am Hindukusch schon absurdere Dinge abgespielt. Bislang lief allerdings noch keine Wahl in Afghanistan nach Plan – und dies vor allem aus zwei Gründen. Das Land befindet sich im Krieg – in den Unruhe-Provinzen wie Kandahar oder Paktia ist es für einen Großteil der Menschen viel zu gefährlich, sich überhaupt registrieren zu lassen. Neben der Angst vor Terrorattentaten und Racheakten der Islamisten, die Wahlen ablehnen, ist auch unklar, wer überhaupt wählen darf. Die Wahlregister sind vielerorts – gerade in umkämpften Gebieten – mehr Fiktion als Wirklichkeit. Das erleichtert Wahlbetrug.
Schätzungen zufolge sind von neun Millionen Wahlberechtigten um die fünf bis sechs Millionen Geisterwähler. Somit folgt auf jede Wahl der Streit um ihre Richtigkeit. Bei der vergangenen Parlamentswahl wurden die Stimmen in sieben Provinzen neu gezählt. Schlimmer noch waren die Präsidentschaftswahlen 2009, als 20 Prozent der abgegebenen Stimmen annulliert wurden. Und auch die Präsidentschaftswahl 2014 wurde zu einem Trauma: Wochenlanges Gezänk um die Richtigkeit der Stimmauszählung endete in einer politischen Krise. Die Parlamentswahlen dienen der Image-Pflege, dass Afghanistan doch irgendwie eine Erfolgsgeschichte und die Sicherheitslage stabil genug sind. Aber das Image trügt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Nur für das Image
Agnes Tandler kritisiert die Parlamentswahlen in Afghanistan: Die Abstimmung soll eine Normalität vorgaukeln, die es nicht gibt