Lindner will hoch hinaus

Johannes Nitschmann zu den Zielen des FDP-Chefs, der nach dem Erfolg in Nordrhein-Westfalen jetzt auch bei der Bundestagswahl punkten möchte

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Johannes Nitschmann
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Über Nordrhein-Westfalen will Christian Lindner die Bundeshauptstadt Berlin erobern und seine außerparlamentarische FDP zurück in den Bundestag führen. Deshalb hatte der gewiefte FDP-Strippenzieher bei den Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf systematisch liberale Duftmarken gesetzt: von einer Digitalisierungsoffensive bis zu einer weiteren Lockerung der Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen. Vor den Koalitionsverhandlungen hatte sich der begnadete Polit-Entertainer zunächst als sperriger Bräutigam inszeniert. Die FDP ist nicht mehr der Wurmfortsatz der CDU, lautete seine Botschaft.

Nachdem die Wähler die FDP vor vier Jahren aus dem Bundestag verbannt hatten, erweckte Lindner in Nordrhein-Westfalen mit ein paar rhetorischen Kunstgriffen den Eindruck, seine Freidemokraten hätten sich neu erfunden. Marktradikal und neoliberal war gestern. In NRW kümmern sich die neuen FDP-Minister um Schule, Digitalisierung, Flüchtlinge und Integration statt um Hotelsteuern und Zahnärzte-Privilegien. So sollen die Klischees einer Klientelpartei abgestreift werden.

Dies aber ist bisher nichts als ein Versprechen auf die Zukunft. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf war kaum formiert, da ging sie erst mal in die parlamentarische Sommerpause. Und nach den Ferien nimmt der Bundestagswahlkampf Fahrt auf. Damit wird der Ernstfall in NRW bis Anfang Oktober vertagt.

Wahlkämpfer Lindner ist in einer eine formidablen Lage. Er kann sich stolz mit der liberalen Handschrift im "Modernisierungsbündnis" brüsten, ohne sich einem Praxistest unterziehen zu müssen. Dabei stehen Schwarz-Gelb angesichts der Einstimmen-Mehrheit im Düsseldorfer Landtag schwere Belastungsproben bevor.

Für Lindner hat die Koalition in Nordrhein-Westfalen jedoch längst ihren Zweck erfüllt. Der FDP-Parteichef hat demonstriert, dass seine lange Zeit sieche Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland wieder regierungsfähig ist - und sich damit womöglich bald auch als Koalitionspartner von CDU-Kanzlerin Angela Merkel anheischig macht.

Korrespondent