Eine außer Kontrolle geratene Pandemie mit täglich mehr als 1000 Toten, die Sorge um Gewalt in einer tief gespaltenen Gesellschaft und ein Amtsinhaber, der sich nicht auf einen friedlichen Machtwechsel festlegt – dies sind keine normalen Zeiten, kein normaler Präsident und keine normalen Wahlen. Die Amerikaner spüren, bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen an diesem Dienstag vor einer historischen Entscheidung zu stehen. Dabei lässt sich Leidenschaft auf beiden Seiten feststellen. Donald Trumps Fans preisen ihn für die durchgesetzte Steuerreform, die mit Konservativen gefüllten Richterbänke, die knallharte Politik gegen Asylsuchende, Einwanderer und Reisende aus islamischen Ländern. Sie applaudieren dem Rückzug aus internationalen Organisationen, aus dem Atomvertrag mit Iran und dem Pariser Klimaschutz-Abkommen. Und begrüßen den Protektionismus im Handel.
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Joe Biden verkörpert für seine Anhänger das Versprechen einer Rückkehr zur Normalität. Der ehemalige Vizepräsident Barack Obamas verspricht, Anstand, Vernunft und Wahrheit zurück ins Weiße Haus zu bringen. Auf ihm ruhen die Hoffnungen der Frauen in den Vorstädten, der Rentner und Minderheiten, aber auch der jungen Amerikaner, die Pandemie endlich unter Kontrolle zu bekommen. Sie trauen ihm eher zu, den strukturellen Rassismus zu überwinden, das Klima zu retten und die USA in die westliche Wertegemeinschaft zurückzuführen. Bei diesen Wahlen geht es um mehr als Programme. Dieser 3. November ist ein Referendum über den Trumpismus, der amerikanische Werte pervertiert hat. Für Europa stehen die Nato und das transatlantische Verhältnis auf dem Spiel, das Trump zerrüttet hat.
Orwellisch mutet die Umdeutung der Fakten, das methodische Lügen des Präsidenten und dessen Angriffe auf die Medien an. Un-amerikanisch ist sein Hofieren von Autokraten, die Unterminierung demokratischer Institutionen, die Kriminalisierung politischer Gegner, die Hetze gegen Minderheiten und der offene Rassismus. Gefährlich ist, wie er vorhandene Gräben in der Gesellschaft vertieft und Gewalt schürt.
Die Pandemie hat den Blick der Amerikaner für die Defizite des Präsidenten geschärft. Mit der totalen Kapitulation vor Covid-19 versagte Trump bei der Erfüllung seiner vordersten Pflicht: für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Über all das werden die Wähler abstimmen.
Mit der Erfahrung der vergangenen vier Jahre steht außer Frage, dass eine weitere Amtszeit Trumps die USA bis zur Unkenntlichkeit verändern würde. Die Alternative könnte nicht klarer sein: Entweder besiegeln die Wähler den Marsch in eine düstere Zukunft oder sie nutzen die Chance, als Nation zu gesunden: von Covid-19 und dem Trumpismus.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Präsidentschaftswahl 2020 - Trump oder Biden Die USA stehen vor einer historischen Wahl
Thomas Spang findet, dass die US-Bürger am Dienstag nicht nur über den nächsten Präsidenten entscheiden, sondern über die Zukunft des Landes.