Natürlich ist Björn Höcke nicht Ministerpräsident in Thüringen geworden. Und natürlich zieht nicht ein Rechtsextremist in eine deutsche Staatskanzlei ein. Sogar in Thüringen, wo im Winter vergangenen Jahres mit Thomas Kemmerich ein Kurzzeit-Regierungschef mit Stimmen der AfD ins Amt gelangte, galt dieses Szenario als völlig ausgeschlossen. Höcke bekam am Freitag bei der Wahl im Erfurter Landtag offenbar nur die Stimmen der eigenen Fraktion.
Das von seiner Partei beantragte „konstruktive Misstrauensvotum“, das Höcke zum destruktiven Instrument umfunktionieren wollte, scheiterte mit Ansage. Das Ziel des AfD-Landesvorsitzenden war aber ein anderes: Höcke wollte das traurig-irre Schauspiel, das die Thüringer Landespolitik zuletzt wieder aufführte, noch einmal verlängern.
Er wollte das Parlament nach der abgesagten Neuwahl erneut vorführen. Zumindest teilweise gelang ihm das sogar. Die CDU nahm lieber erst gar nicht an der geheimen Abstimmung teil, um nicht vielleicht doch ein paar Ja-Stimmen für Höcke zu produzieren – oder, auch das wäre in Thüringen nicht ausgeschlossen, sich unterschieben zu lassen.
Die Reaktion von SPD, Grünen und Linken auf das Vorhaben war erwartbar. Die Brandmauer gegenüber der AfD stehe bei der CDU nicht, riefen sie. Gegen einen Faschisten wie Höcke müsse mit Nein gestimmt werden!
Tatsächlich wirkte die Taktik der Christdemokraten inkonsequent. Trotzdem wäre etwas mehr Gelassenheit angebracht. Weil Höcke die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Landtag brauchte, hatte die Verweigerung der CDU denselben Effekt wie ein kollektives Nein.
Es ist doch so: Je höher die Empörung schäumt, je schärfer sich die etablierten Parteien gegenseitig beschuldigen und je mehr Aufregung durchschaubare Manöver wie das gescheiterte Misstrauensvotum erzeugen, umso stärker profitiert die AfD.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Bitte mehr Gelassenheit
Martin Debes über die Aufregung um AfD-Mann Björn Höcke