Verzweiflung und Resignation hat die Menschen im eingeschlossenen Ost-Aleppo erfasst, während Präsident Baschar al-Assad seinen größten militärischen Erfolg absichert. Seit die Rebellen 2012 den Ost-Teil der Stadt erobert hatten, gelang es dem Regime nicht, die wichtigste Metropole wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Das Kriegsverbrechen der Aushungerung und massiver Bombardements haben nun durch den Fall der nördlichen Stadtteile die Situation radikal verändert. In Aleppo entscheidet sich Syriens Schicksal. Auch wenn der Widerstand im Südteil größer sein dürfte als im Norden.
Fällt die Metropole, kontrolliert er mit Damaskus, Hama, Homs und Latakia die fünf wichtigsten Städte, das "nutzbringende Syrien", wie er es nennt, in dem die Mittel- und Oberschicht lebt. Die Rebellen und die gegnerische Zivilbevölkerung werden in die ländlichen Regionen vertrieben und Assad kann den Krieg als einen von Reich gegen Arm präsentieren.
Diesen Wandel verdankt er wichtigen Entwicklungen: Im Oktober 2015 rettete ihn Russland mit der Militärintervention vor dem Untergang und löste damit einen Rückzug der USA aus. Die US-Hilfe an die sich radikalisierenden "gemäßigten" Rebellen versiegte. Hinzu kam das Chaos in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli. Um das Land vor einer Katastrophe zu bewahren, muss Präsident Erdogan seine Hilfe an die islamistischen Rebellen stoppen und eine Konfrontation mit Russland vermeiden. So hat er seine Unterstützung von Assads Gegnern in Aleppo eingestellt. Unter den Rebellen breiten sich Resignation und Orientierungslosigkeit aus. Gelingt Assad die totale Eroberung Aleppos, rückt der Triumph in greifbare Nähe. Doch der Weg Syriens zu Frieden und Stabilität ist damit noch lange nichtbeschritten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Am Wendepunkt