Arbeitsgericht: Entlassung nach zehn Jahren wegen zwölf Euro / Einigung auf Vergleich

"So geht man nicht mit Menschen um"

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Katrin Filthaus

Ende Februar wurde eine Kündigung heiß diskutiert: Die Verkäuferin Barbara E. war von ihrem Arbeitgeber wegen des Vorwurfs, sie habe Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen, nach 31 Jahren fristlos entlassen worden. Vor dem Arbeitsgericht Berlin bekam die Supermarktkette recht, der Vertrauensverlust sei ein Kündigungsgrund, begründeten die Richter ihr Urteil.

Von einer Kündigung wegen eines kleinen Geldbetrages kann auch Jörg W. ein Lied singen. Nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit hatte seine Firma ihn fristlos entlassen. Der Grund: Der IT-Berater soll sich zwölf Euro Spesengeld erschlichen haben. Ihm war die Kündigung nahegelegt worden, das hatte er jedoch verweigert, er sei an dem betreffenden Tag für die Firma unterwegs gewesen, betonte er.

Auch in diesem Fall sollte das Arbeitsgericht eine Entscheidung treffen, nachdem ein Gütetermin zu keinem Ergebnis geführt hatte. Zu sehr waren die Fronten verhärtet: Nach seiner Entlassung war dem IT-Berater kein ordnungsgemäßes Zeugnis ausgestellt worden, "unter anderem war mein Geburtsdatum falsch angegeben, außerdem stehen wichtige Aufgaben, für die ich zuständig war, nicht drin", so der Kläger.

"Delta-Annäherung" wollte der Vorsitzende Richter am Arbeitsgericht Dicke betreiben, das stellte er zu Sitzungsbeginn klar. "Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Kündigung im Hinblick auf zwölf Euro überzogen ist", so der Richter. Der Vorstand der beklagten Firma wandte ein, der Steuerprüfer habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass sein Angestellter ihn schon seit längerer Zeit bei der Spesenabrechnung betrogen habe. "Wir mussten deswegen etwa 1000 Euro nachzahlen", so der Geschäftsmann. So seien die zwölf Euro nur der Auslöser gewesen. "Davon weiß ich aber nichts, hier haben sie nur einen Tag geltend gemacht", so der Richter. Schwere Vorwürfe wie dieser müssten bewiesen werden, "ich hätte gerne die entsprechenden Quittungen gesehen", sagte Dicke. Da diese aber nicht vorlagen, drängte er noch einmal auf eine gütliche Einigung und gab dem Firmenvorstand und seinem Anwalt mit auf den Weg:. "So geht man mit einem Menschen wegen zwölf Euro nicht um." Und tatsächlich einigten sich die Parteien auf einen Vergleich, ohne dass ein Richterspruch nötig war - in welche Richtung dieser gegangen wäre, hatte der Vorsitzende unmissverständlich klar gemacht.

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