Beziehung

Warum sich viele Paare nach dem Urlaub trennen

Der Urlaub ist eigentlich die schönste Zeit des Jahres sein, doch viele Paare trennen sich unter Palmen. Wieso das so ist und was im Vorfeld dagegen getan werden, erzählt eine Diplom-Psychologin aus Speyer

Von 
Tanja Capuana
Lesedauer: 
Im Urlaub kommt es leicht zu Streit © Ulrich Perrey / dpa

Mannheim. Endlich ist er da: Der langersehnte und wohlverdiente Urlaub. Koffer gepackt und ab zum Flughafen. Jetzt beginnen die schönsten Wochen des Jahres - und man hat wieder mehr Zeit für den oder die Liebsten. Doch egal ob junge Liebe oder bei langjährigen Beziehungen: ausgerechnet jetzt knallt es häufig. So mancher Streit bringt noch im Ferienparadies die Trennung mit sich. Warum ist ausgerechnet der Urlaub eine Zeit, die zur Zerreißprobe führen kann? Und was kann man tun, damit die Partnerschaft die Reise übersteht?

Diplom-Psychologin Pavithra Novak unterscheidet zunächst zwischen Frischverliebten und Paaren, die schon lange zusammen sind. „Die Frischverliebten lernen sich im Urlaub erst so richtig kennen“, sagt sie. „Die Verliebtheit ist eine Zeit, in der man den anderen idealisiert und sich mehr in das Lebensgefühl und das Bild, das man vom Partner hat, verliebt ist.“ Man kenne die andere Person noch nicht so richtig. Man filtere aus den Interaktionen auch eher die Dinge heraus, die einen selbst bestätigen und blendet alles andere aus. „Wenn man dann 24-7 aufeinander hockt und dann am besten noch in einem kleinen Hotelzimmer wo man keine Ausweichmöglichkeiten hat, dann lernt man sich erst richtig kennen. Es zeigt sich, wer der andere Mensch eigentlich wirklich ist, auf den ich mich eingelassen habe. Das kann dazu führen, dass bei Paaren die Geigen nicht mehr so rosig am Himmel hängen.“

Der Urlaub ist nicht das Problem

Aber auch Paare, die sich schon lange kennen und denen die Macken des anderen bekannt sind, können in Streit geraten. „Auch da ist der Urlaub selbst nicht wirklich das Problem“, sagt Novak. „Der Urlaub zeigt nur auf, welche Probleme es eigentlich die ganze Zeit schon gegeben hat.“ Wo man in der Hektik des Alltags nicht richtig hingeschaut hat, fügt sie hinzu. „Viele Paare funktionieren als Team ganz gut, wenn es um die Kinder geht - und man seine Arrangements im Haushalt findet.“ Ist man dann aber im Urlaub und die ganze Ablenkung, die Alltagspflichten wie Wäschewaschen und Geschirrspülen fallen weg, stehen plözlich andere Dinge im Fokus. „Der Freiraum, der dann entsteht, fördert nur zu Tage, was auf der Paarebene latent die ganze Zeit schon da war.“ Etwa eine Entfremdung zwischen den Partnern. „Urlaub ist fast wie ein Gradmesser für die Qualität der Partnerschaft“, erklärt die Expertin aus Speyer. „Da zeigt sich dann, wie es auf der Herzensebene wirklich um die Beziehung bestellt ist.“

Plötzlich nicht mehr gestresst?

 „Wenn sich Menschen im Alltag vieles aufbürden und stressen, und über ihre Grenzen gehen, fallen sie im Urlaub selbst erstmal in ein Loch und es geht ihnen zunächst gar nicht gut.“  Novak nennt diesen Effekt das Post-Stress-Syndrom. Das kann man sich aber selbst oft nicht erklären. „Wir neigen dazu, wenn es uns schlecht geht, einen Grund dafür zu suchen“ sagt sie. „Und den finden wir oft und schnell im Partner.“ Ist die Beziehung ohnehin schon angeknackst, dann ist der andere an allem schuld. 

Nicht jeder geht gerne campen. Manche Paare können sich nur schlecht auf die Unterkunft im Urlaub einigen. © Rolf Haid

Andere Vorstellungen an den Urlaub können ebenfalls einen Streit entfachen: Etwa wenn einer eigentlich nur am Strand sein Buch lesen und der oder die andere auf Sport oder Museumstouren aus ist. „Wenn man vor dem Urlaub einen gesunden, liebevollen Kontakt gehabt hätte, dann hätte man das schon im Vorfeld klären können“, sagt die Psychologin. Denn normalerweise sollte das Paar vor dem Trip über die Bedürfnisse und Wünsche sprechen und schauen, wie sie die Erwartungen unter einen Hut bekommen können. „Paare haben oft sehr damit zu kämpfen, den Alltag zu bewältigen. Kinder und Job nehmen sie völlig in Anspruch. Wenn man dann total fertig am Urlaubsort ankommen, können sie kaum tolerieren, dass ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden,“ so Novak. „Erst dort stellt sich heraus, dass die Ansprüche ganz anders waren“,, sagt sie. „Dann ist die Enttäuschung groß und die Kompromissbereitschaft sehr eingeschränkt. Aber auch hier liegen die Probleme ganz woanders.“ In einer gut funktionierenden Partnerschaft trete dieses Problem gar nicht erst auf. „Da können unterschiedliche Bedürfnisse normalerweise gut integriert werden.“

Oft fehlt  die Kommunikation. So kann man etwa absprechen, dass man im Urlaub auch hin und wieder getrennte Wege geht: Während einer am Meer entspannt, kann der andere allein einen Sightseeingtrip unternehmen. „Es ist total gesund, wenn beide Partner ihre Eigenständigkeit bewahren“, sagt sie. „So dass keine Symbiose entsteht, bei der man nur noch alles miteinander machen kann.“ Das sei auch häufig eine Illusion die Menschen haben: „Jetzt haben wir endlich mal Zeit füreinander, jetzt müssen wir auch die ganze Zeit aufeinander hocken und alles miteinander machen.“ Und wenn das dann nicht funktioniert, glaubt man, dass etwas nicht stimme. „Das ist eben total falsch.“ Haben die Partner verschiedene Vorstellungen vom Urlaub, könne man abwechselnd etwas allein machen und dann wiederum dem anderen zuliebe mitziehen um dann an einem anderen Tag selbst das Programm zu bestimmen. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Erwachsen sein bedeutet, dass man seine Bedürfnisse spüre, aber nicht auf ihre Erfüllung bestehe, fügt sie hinzu. Wenn immer nur einer bestimmen möchte oder beide keinen gemeinsamen Nenner finden können, bietet sich an, den Urlaub getrennt voneinander zu verbringen. „Das ist etwas, das öfter mal gemacht werden sollte“, betont Novak. „Gerade bei Paaren, die schon lange Jahre  zusammen sind und wohnen.“ Es tue der Beziehung gut, wenn sie auch mal getrennt voneinander verreisen. „Es gibt ja diesen Spruch: Willst du gelten, mach dich selten“ Gerade Müttern tue es gut, wenn sie ihre Kinder auch mal beim Vater lassen und einen Städtetrip unternehmen. „Einfach mal wegfahren. Dann haben die Frauen was davon, können sich rekreieren, etwa bei einem verlängerten Wochenende mit ihren Freundinnen. Und daheim wissen auch die Männer und Kinder wieder mehr zu schätzen, was die Frau leistet“, sagt sie und lacht.

Konfliktpotenzial Hotelzimmer

„Abgesehen davon ist es für einen selbst auch mal ein wertvolles Abenteuer allein zu reisen andere Leute kennenzulernen, sagt sie. „Man schläft so leicht ein in einer Partnerschaft und gewöhnt sich zu sehr an das Miteinander.“ Man verliere die Eigenständigkeit und es entstehe viel mehr Abhängigkeit vom Partner. Erlebe man sich selbst wieder als eigenständigen Menschen, bringe man das in die Partnerschaft. „Dann hat man sich wieder etwas zu erzählen und es bleibt dann auch spannend.“

Was kann man tun, damit beide Partner im Urlaub auf ihre Kosten kommen? „Im Vorfeld alles miteinander gründlich besprechen“, rät sie. „Das ist die Grundlage dafür, dass es später keine böse Überraschung gibt. Statt schnell irgendwas zu buchen, sollte man sich die Zeit dafür nehmen, Location und Unterkunft genau unter die Lupe zu nehmen. Landet man etwa unfreiwillig in einer Bettenburg, kann das schon mal auf die Stimmung schlagen. Gleichzeitig sollte man eine Reise buchen, die beiden zusagt, statt Kompromisse einzugehen.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Auch Hotelzimmer, wo man sich nicht aus dem Weg gehen kann, bergen Konfliktpotenzial. „Ich empfehle auch immer etwas zu buchen, wo es Ausweichräume gibt“, sagt sie.

Wenn der eine gern zelten geht während der andere am liebsten im bequemen Hotelbett schläft und Luxus möchte, könnte es schwer werden, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Novak rät in diesem Fall von einem Kompromiss ab, was die Unterkunft betrifft. Besser sei es, wenn der Camping-Fan allein das Zelt aufschlägt, während der andere ins Boutiquehotel geht, man also getrennt Urlaub macht. Umgekehrt sollte man nur dann gemeinsam Urlaub machen wenn man dafür eine Unterkunft findet, die beiden zusagt.

An- und Abreise sind stressige Zeiten

Was tun, wenn es tatsächlich zu einer Trennung unter Palmen kommt? Die Diplom-Psychologin empfiehlt, sich in diesem Fall aus dem Weg zu gehen. „Wenn es dann wirklich gekracht hat und gar nichts mehr geht, kriegen es die wenigsten Paare hin, auf so engem Raum noch gut miteinander umzugehen.“ Abstand sei das Gebot des Tages. So kann einer der beiden sich etwa ein eigenes Zimmer nehmen oder früher abreisen. „Das ist besser, als wenn einer den anderen ankeift und stichelt.“

Den Urlaub zu idealisieren und zu hoffen, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, sobald man im Flieger sitzt, ist zu naiv gedacht. „Man muss bedenken, dass allein schon die An- und Abreise und ein Flug superaufregend für alle Beteiligten ist“, sagt Novak. „Da ist die Grundstimmung grundsätzlich eher angespannt.“ Daher sollte man sich während der Hin- und Rückfahrt in den Urlaub auf jeden Fall besonders in Rücksicht üben. „Wenn  man dann im Urlaub ist, kann ich nur raten, dass ihn jeder für sich zum Auftanken nutzt“, sagt sie. Gleichzeitig sollte man als Paar das Miteinander in den Blick zu nehmen. Es helfe, auf der Metaebene über die Partnerschaft zu reflektieren, in Ruhe Inventur zu machen und Aufzuräumen. Denn wenn man nicht an einer Beziehung arbeite, werde sie schlechter. Es sei wie bei einem Haus, betont sie. „Da muss man auch ständig was für machen.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen