Durham. Ob Sir Walter Scott sein Smartphone gezückt hätte, wenn es zu seiner Zeit schon die entsprechenden Geräte samt Facebook, Instagram und TikTok gegeben hätte, bleibt Spekulation. Doch auch der Gigant des britischen Historienromans konnte sich dem Eindruck dieser Kulisse offenbar nicht entziehen, als er 1827 Dinner-Gast des Bischofs von Durham war. Den einzigartigen Blick auf die Kathedrale und das Schloss auf dem schroffen Felsen in der Flussschleife des River Wear verewigte Scott in seinem Vers-Epos „Harold, der Unerschrockene“ und die Zeilen über die „geliebten grauen Türme von Durham, halb Gottes Kirche, halb Burg gegen die Schotten“ finden sich noch heute auf der Prebends Bridge in Stein gemeißelt.
Fast 200 Jahre später hat dieses Panorama offenbar nichts von seiner Anziehungskraft verloren, womit wieder die modernen Medien ins Spiel kommen. Denn aus einer gerade erst von einer großen britischen Outdoor-Kette erhobenen Auswertung ergab sich, dass sich das 1986 von der Unesco zum Weltkulturerbe erhobene Ensemble gerade bei Social-Media-affinen Generationen größter Beliebtheit erfreut. So stehen Kathedrale und Castle von Durham auf Platz eins, wenn es bei Instagram um die Erwähnung frei zugänglicher britischer Sehenswürdigkeiten geht und auf der jüngsten TikTok-Liste reicht es in dieser Kategorie immerhin noch zu Platz drei.
Inspiration für Potter-Filme
Wer also noch Argumente benötigt, seine Teenager für einen Städte-Trip in das die englische Geschichte geradezu atmende 60 000-Einwohner-Stätdchen zu begeistern, dürfte damit die besten Argumente zur Hand haben. Und wenn das nicht genügt, kann mit dem Verweis auf die Harry-Potter-Filme der letzte Trumpf gespielt werden. Schließlich wurden im Kreuzgang der ab 1093 erbauten normannischen Kathedrale Szenen für „Harry Potter und der Stein der Weisen“ sowie „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ gedreht.
Tipps & Adressen
Anreise: Von Frankfurt beispielsweise per Flugzeug mit der Lufthansa nach Newcastle oder mit der DFDS-Fähre über Amsterdam nach Newcastle.
Unterkunft: Stadtnah liegt Ramside Hall (ramsidehallhotel.co.uk) nur zehn Autominuten von Durham entfernt inmitten eines Golfplatzes. Das Vier-Sterne-Hotel bietet ein Spa und gleich vier Restaurants. Doppelzimmer gibt es ab 150 Euro. Wer standesgemäß an der Küste unterkommen möchte, für den führt wohl kein Weg an Seaham Hall (seaham-hall.co.uk) vorbei, das erst kürzlich bei den North East England Tourism Awards mit Gold ausgezeichnet wurde. Das 5-Sterne-Hotel ist 20 Autominuten von Durham entfernt und verfügt über einen großzügigen Spa- und Wellness-Bereich. Doppelzimmer ab 335 Euro.
Internet-Adressen: Allgemeine Infos zur Region und Ausflugszielen unter: thisisdurham.com. Über das Year of the Coast 2023, den England Coast Path und entsprechende Veranstaltungen informiert englandscoast.com/de auch auf deutsch.
Das gegenüberliegende Castle blieb den Filmemachern dagegen verschlossen. Die große Halle mit ihrem mittelalterlichen Ursprung war zwar die Inspirationsquelle für die Aula von Hogwarts mit den vier langen Tischen der Zauberschule. Gedreht werden durfte dort aber nicht, weil das Castle seit 1840 als Studentenwohnheim des University College genutzt und in der Halle jeden Morgen das Frühstück ausgegeben wird. Nicht zuletzt deshalb ist der Besuch nur mit Führungen möglich. Doch wer glaubt, die Studierenden wohnen dort wie die Schlossherren aus alten Tagen, wird schnell eines Besseren belehrt. Wer Glück bei der Verlosung der frei werdenden Zimmer hat, muss sich die paar Quadratmeter samt Bad mit einem Kommilitonen teilen. Man kann eben nicht alles haben.
Schlossgeister und Heilige
Ansonsten ist Durham Castle, das seine Ursprünge in der Zeit Wilhelm des Eroberers hat, aber nicht nur Fassade, sondern birgt Schätze wie die Tunstall’s Chapel mit ihren außergewöhnlichen Schnitzereien, die schwarze Treppe samt dem obligatorischen Schlossgeist oder der Fassadengestaltung, bei der es sich die jeweils in den Bau investierenden Bischöfe nicht nehmen ließen, sogar die Fallrohre der Regenrinnen mit ihrem Wappen zu verzieren.
Nur ein paar Schritte über den Palace Green sind es dann bis zur Kathedrale, die zugleich Keimzelle der mittelalterlichen Stadt war. Die steinerne Gewölbedecke war zu ihrer Zeit eine Sensation, die Kreuzrippengewölbe der Seitenschiffe die ersten ihrer Zeit und forthin maßgebend. Die Kathedrale beherbergt zudem den Schrein mit den Überresten des Heiligen Cuthbert von Lindisfarne, die nach einer siebenjährigen Odyssee in Zeiten der Wikingerüberfälle 995 in Durham ihre letzte Ruhe fanden. Eine verirrte Milchkuh auf dem Heimweg soll die Gruppe um den Leichnam des Heiligen der Legende nach Richtung des markanten Felsen geführt haben, nachdem einer der Mönche seine Vision preisgab: Cuthbert wolle im damaligen Dun Holm ruhen. Mit der ersten Kapelle für den Schutzheiligen des Nordens nahm die Stadtwerdung ihren Lauf, die Normannen erkannten rund 40 Jahre später den strategischen Wert der Siedlung und etablierten die Linie der Fürstbischöfe von Durham, die Statthalter des Südens und zugleich eigenständige Herrscher waren. Bildung und Handel blühten auf, unzerstört sind die mittelalterlichen Passagen und Innenhöfe dieser Zeit, die heute von geschichtsträchtigen Cafés wie etwa dem urigen „Vennels“ belebt werden. Hier soll übrigens 1720 die britische Variante des Senfpulvers ihren Ursprung haben, das heute jeder weltweit in der ikonischen gelben Coleman’s-Verpackung kennt.
Anlaufstelle für Gartenfreunde
Einen Abstecher lohnt zudem der Botanische Garten des im Süden der Stadt gelegenen Universitäts-Campus oder auch Crook Hall Gardens im Norden. Diese beliebte Adresse für Feierlichkeiten wie Hochzeiten und Geburtstage ging zwar während der Corona-Pandemie pleite, wurde aber im Juli 2022 vom National Trust gerettet und macht mit der um die älteste mittelalterliche Wohnhalle Durhams gelegenen Grünfläche nicht nur Gartenfreunden eine Freude. Ob sich Walter Scott etwa vom hiesigen Hecken-Labyrinth zu einem Gedicht hätte inspirieren lassen, bleibt offen. Das Smartphone zu zücken, lohnt aber allemal.
Hotel-Tipp:
Nur zehn Minuten Autofahrt von der Altstadt Durhams entfernt liegt mitten im Grünen das exklusive Vier-Sterne-Hotel Ramside Hall. Dass man sich dort wie ein Lord fühlen darf, hat vor allem mit der langen Geschichte des Gebäudes zu tun, das 1820 Thomas Pemberton auf den Grundmauern eines Vorgängerbaus errichtete und mit den damals modernen Annehmlichkeiten ausstattete. Der Landsitz mit seinen ständigen Erweiterungen und Modernisierungen blieb bis Anfang der 1960er Jahre im Familienbesitz, 1964 wurde das Landhaus dann in ein Luxus-Hotel umgewandelt und eröffnete zunächst mit lediglich zwölf Zimmern, einem Restaurant und einem Konferenzraum.
Heute genießt Ramside Hall mit seinen mittlerweile 127 Zimmern und den sechs Funktionsräumen einen ausgezeichneten Ruf in der Region, lädt zu einer Runde auf einem der beiden das Hotel umgebenden 18-Loch-Golfplätze ein oder lockt in den großzügigen Spa-Bereich. Fünf Pools inklusive des größten Hydrotherapie-Beckens auf der britischen Insel lassen keine Wünsche offen, angeschlossen ist neben einem Fitness-Studio zudem noch ein Restaurant. Das „Fusion“ setzt wie der Name vermuten lässt auf fernöstlich inspirierte Gerichte mit regionalen Produkten, bietet aber auch den klassischen Afternoon Tea mit einem leicht orientalischen Dreh.
Im Haupthaus bieten unter anderem „The Rib Room“ feinste Steaks und Burger mit einer erlesenen Weinkarte, etwas traditioneller geht es im „Pemperton’s Cavery“ zu, wo ganz nach dem Vorbild eines echten britischen „Sunday Roast“ geschlemmt werden kann. Hier befindet sich zudem der Frühstücksraum, wo sich die Gäste in Büffet-Form mit einem „Full English“ oder kontinentalen Varianten für den Tag stärken können. Offen zugänglich ist auch das Clubhaus des Golfplatzes.
Die großzügigen Zimmer im Haupthaus lassen nichts vermissen, die Badezimmer verfügen alle über eine barrierefreie Dusche und ein Standardbadezimmer mit zwei Waschbecken. Neu im Angebot sind die den Golfplatz umgebenden, auf Pfählen gebauten „Treehouses“, die sich mehrere Personen teilen können ohne Abstriche bei der Ausstattung zu machen.
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