Das zweite Mannheimer Pflegeforum hat uns erneut inspiriert. Es gab viele gute und intensive Gespräche, die wieder einmal zeigten, wie breit das Thema Pflege angelegt ist. Ganz besonders gut besucht waren die Vorträge zu den Themen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Es scheint doch einige Menschen umzutreiben was passiert, wenn man das Zepter nicht mehr in der Hand hat. Wie kann ich dem entgegentreten?
Wenn man sich mal die Zeit nimmt und überlegt, kommen einem schon einige Beispiele in den Sinn, bei denen pflegebedürftige Menschen relativ jung sind. In meinem Bekanntenkreis sind in den letzten Jahren auch schon einige jüngere Menschen durch verschiedene Erkrankungen verstorben. Die Mehrzahl hatte sich bis zu dem Zeitpunkt noch keinerlei Gedanken darüber gemacht was passieren würde, wenn Sie entweder zum Pflegefall werden würden oder versterben würden.
Was passiert, wenn nichts ‚geregelt‘ ist? Nach dem Schock kommt meistens ein Chaos zutage. Selbst wenn Ehepartner schon jahrelang zusammenleben und eine Familie gegründet haben ist es auch heute noch so, dass es eine gewisse Rollenverteilung gibt. Allerdings heißt das nicht zwangsläufig, dass die Frau für den Haushalt und der Mann für’s grobe und das Finanzielle zuständig ist. Nicht die unterschiedlichen Rollen sind das Problem, sondern eine Verteilung der Aufgaben, bei der es versäumt wird sich regelmäßig hinzusetzen und auf den neuesten Stand zu bringen und zu zeigen, wo die Unterlagen aufbewahrt sind.
Mangelnde Transparenz im häuslichen Haushalt kann zu finanziellen Einbußen führen
Besonders, wenn nur ein Ehepartner für das finanzielle zuständig ist und der andere auch nur wenig Geld verdient, kann mangelndes Wissen zu einem gewaltigen Chaos nach einem Todesfall führen. Die Kosten laufen weiter. Regelmäßige Kosten und Kredite müssen bedient werden und meistens sind die ‚Gläubiger‘ nicht sehr freundlich oder einsichtig, sogar wenn es sich um einen plötzlichen Todesfall handelt. Bis der Erbschein zur Verfügung steht oder ein Testament (falls eines da ist) eröffnet wird vergehen teilweise Wochen oder gar Monate. Zudem stehen die Kosten für eine Beerdigung an, die bei weitem nicht günstig ist. Und es kommt hinzu, dass die Art und Weise der Bestattung im Regelfall nie besprochen wurde.
All das ist eine enorme Belastung für die Angehörigen und die Zurückgebliebenen und das kann jeden von uns treffen. Wir weigern uns zunehmend, den Tatsachen des endlichen Daseins ins Auge zu blicken. Für solche ‚düstere‘ Gedanken, wie sie oft bezeichnet werden, sind in unserer heutigen, schnelllebigen und oberflächlichen Welt kein Platz. Das haben wir auch in den Vorträgen bemerkt. Wie auch schon letztes Mal war der Vortrag des Bestatters zu einem Dialog geworden.
Natürlich muss das jeder für sich entscheiden, aber man trägt nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die Menschen, die einem nahestehen – die Familie und Freunde. An die sollte man denken und ihnen das Leben so gut es geht erleichtern.
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was wäre, wenn Sie pflegen müssten?
Im Zusammenhang mit den oben angeführten Themen der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung ist es wichtig, den worst-case (die schlimmste anzunehmende Situation) mal gedanklich durchzuspielen: Wie würden Sie sich entscheiden, wenn einer Ihrer engsten Verwandten (Ehepartner, Eltern etc.) plötzlich zu einem Pflegefall werden würde? Wie würden Sie sich entscheiden? Einfacher zu treffen ist die Entscheidung in den Fällen, in denen man ein gutes Verhältnis zu den Menschen hat. Es scheint selbstverständlich zu sein, sich um den anderen zu kümmern, wenn man ihn liebt und die Beziehung zueinander von Liebe, Wertschätzung und Harmonie geprägt ist. Was aber passiert, wenn z.B. Misshandlungen während der Kindheit vorliegen, oder auch Gewalt in der Ehe? Was passiert, wenn man gerade in Scheidung lebt und der andere zum Pflegefall wird? Dies sind nur ansatzweise ein paar Situation, in denen ein Pflegefall das Leben durchrüttelt und so manch einen in die tiefsten Gründe der eigenen Seele katapultiert. Und wenn es dann wirklich so kommt? Irgendwann sollte man sich seinen Gedanken stellen. Spätestens dann, wenn die ersten Schritte zur Versorgung des Pflegefalls eingeleitet wurden. Unterschätzen Sie diese Überlegungen nicht, denn wie auch immer Sie sich entscheiden – diese Entscheidung wird die Grundlage ihres weiteren Handelns. Und bedenken Sie immer: SIE und nur SIE müssen diese Entscheidung treffen und kein anderer. Diskutieren Sie diesen Sachverhalt mit andern nur, wenn Sie sich sicher sind, dass Sie sich nicht von Dritten beeinflussen lassen und denken Sie daran, dass alles was Sie tun in Ordnung ist. Auch wenn Sie sich gegen aktive Pflege entscheiden und dafür lieber einen Pflegedienst beauftragen. Es ist Ihr Leben und nicht das von Anderen, die sich vielleicht von falschen Wert- und Moralvorstellungen leiten lassen und Ihnen vielleicht ein schlechtes Gewissen einreden wollen. Die Anderen müssen ja nicht pflegen – das müssen Sie. Und eine aktive Pflege ist nicht nur physisch sehr anstrengend, sondern auch psychisch.
Der Gesetzesgeber und seine Entscheidungen
Bis dato gilt immer noch - Kinder haften im Pflegefall für Ihre Eltern! Und dass selbst dann, wenn sie nicht mehr miteinander kommunizieren, sich voneinander losgesagt haben, aus welchen Gründen auch immer. Das hört sich nicht nur hart an, das ist hart. Es gibt nur wenige Ausnahmefälle, die aber keine Präzedenzfälle darstellen. Das bedeutet, dass Erwachsene, die z.B. eine schwere Kindheit hatten trotz allem für die Eltern im Pflegefall aufkommen müssten. Das bringt wohl so ziemlich jeden an seine Grenzen. Schon alleine deshalb muss man sich darüber im Klaren sein, wie die Unterstützung aussehen könnte, um nicht ständig mit seinem Schicksal zu hadern.
Alles in allem gilt: Es ist eine persönliche Entscheidung, die jeder Einzelne für sich selbst zu treffen hat, ob man einen Menschen pflegt oder nicht. Das kann Ihnen keiner abnehmen. Wenn man sich aber im Vorfeld darüber Gedanken gemacht hat warum man etwas tut oder warum man etwas nicht tut, dann ist es leichter mit der Situation umzugehen.
Seien Sie mutig und machen sich Gedanken oder reden darüber. Danach wird der Berg nur noch ein Hügel sein. Alles macht Sinn.
Ihre Waltraud Gehrig
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