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Circle of Men Mannheim: „Der Schmerz der Männer wird immer größer“

Zwischen Rollenklischees, Rangordnung und Existenzkrise: Der Schmerz der Männer wird immer größer. Doch ihr Schweigen lauter. Eine neue Beratungsstelle mitten in den Mannheimer Quadraten will jetzt handeln.

Von 
Lea Seethaler
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Das Team von Circle of Men in seinen neuen Räumlichkeiten in den Mannheimer Quadraten. © Lea Seethaler

Mannheim. Psychosoziale Unterstützung von Männern ist gesellschaftlich weiterhin Randthema. Das betonen die Gründer von Circle of Men. Mitten in den Mannheimer Quadraten in C2 24 haben sie die gleichnamige Beratungsstelle eröffnet.

„Viele Männer leiden unter gängigen Rollenklischees: Sie haben nicht gelernt, über ihr Inneres zu sprechen“, sagt Mitarbeiter Lorenz Gaßmann (28). „Oft schämen sie sich ihrer vermeintlichen Schwächen, da sie glauben, diese seien ,unmännlich'."

Leid können Männer lang ertragen - aber dann wirft es sie aus der Bahn
Lorenz Gaßmann Mitarbeiter Circle of Men

Männer definierten sich meist über Erfolg und Geld, sagt Gründer Armin Gewahl (52). „Leistungsdruck prägt den männlichen Lebensweg. Der Mann ,braucht' eine Aufgabe. Fällt sie weg, bleibt eine leere Hülle zurück“, so Gewahl. Zu Circle of Men kommen daher auch oft Männer, die gerade in Rente gegangen oder frisch geschieden sind. „Leid können viele Männer ertragen“, erzählt Student Gaßman, „bis es zu einer Krise kommt: körperlich, psychisch oder seelisch. Dann werden sie aus der Bahn geworfen.“

Männerarbeit in Mannheim und Heidelberg: Themen von Partnerschaft bis Beruf

Die Form des Männerkreises soll Hilfe geben. Ein bei der Eröffnung anwesender Mann berichtet von seinem ersten Treffen:. „Als ich da saß, dachte ich mir: Ich hab' hier mein Thema geschildert und merke, dass ich verstanden wurde. Das war eine gute Erfahrung.“

Gewahl beschreibt, was Männer ihm oft nach dem ersten Gruppentreffen schilderten. Ihnen sei durch den Kopf gegangen: „Boah hat der hat das gerade gesagt? Und die machen den ja gar nicht dafür fertig?“ höre er da oft. Genau das beschreibe das Klima bei Circle of Men. Und das bei Themen wie Berufseinstieg, Partnerschaft, Familie, Vaterschaft, Trennung, Sexualität oder Renteneintritt und vielem mehr.

Keine Psychotherapie: Im Notfall Weiterleitung

„Viele Männer kommen auch zu uns, die sich durch Depressionen oder Burnout in einer Krise befinden und nach Unterstützung suchen“, so Gewahl. Und das fernab von Rangordung und Rollenbild. Die Gründer von Circle of Men, die als gemeinnützige GmbH firmiert, betonen aber, dass sie keine Psychotherapeuten sind. Man verstehe sich als Plattform und leite auch im Notfall in eine Therapie weiter.

„Wir hatten zum Beispiel letztens jemanden, ihm ging es immer schlechter. Er hatte unter anderem eine lange Pflegegeschichte bei seiner Angehörigen durchgemacht. Und da war irgendwann klar, er muss in eine Reha und in eine Therapie“, erklärt Mitgründer und Sozialpädagoge Markus Hartmann (34).

Ein Grund, warum Männer aufschlagen, sei auch, dass sie sagten: „Ich fühle mich nicht gesehen." Sei es als Chef oder als Partner. „Männer kommen in allen Lebenslagen zu uns“, sagt Gaßmann. Gewahl betont: „Man lernt bei uns nicht, Mann zu sein!“ Circle of Men sei kein dubioser (Online-)Coach, der anleite, wie man besonders „männlich“ sei oder wirke. Ganz im Gegenteil.

Bei Circle of Men soll reflektiert, neu ausgerichtet und ein Zugang zu sich selbst und Lösungen geschaffen werden. Und das soll allen zugute kommen: „Wir haben hier Männer, die haben sich, als sie als junge Männer Kids bekommen haben, aus dem Staub gemacht. Und wir haben hier Männer, die brechen mit 50 weinend zusammen, und sagen: Was hab' ich getan, was hab' ich verpasst?“

"Männer brauchen Schmerz, um zu handeln"

Das Leben ab 50 sei generell großes Thema, erzählt Gewahl: „Es gibt Männer, die versuchen zu kompensieren, versteifen plötzlich, sagen gar nichts mehr, machen irgendwelche Witze, machen übernormal Extremsport, verändern sich. Oft finden sie sich dann auch in Frauengruppen im Esoterikbereich, um dort erstmalig zu reden“, so Gewahl. „Männer brauchen Schmerz, um zu handeln“, sagt Gewahl, der sich in der Systemtherapie weitergebildet hat. „Und oft kommen sie zu spät bei der Hilfe an. Zu oft, wie bei gesundheitlichen Dingen, sagen sie: Ich möchte das alleine schaffen oder es kümmert mich nicht.“

Die Nachfrage in der Region steige stetig, so die Gründer. Auch darum expandiert das Team nun von Heidelberg nach Mannheim. Warum kommen immer mehr? Gewahl sagt: „Der Schmerz der Männer wird immer größer.“ Alles werde zudem immer „mehr“, schnelllebiger, digitaler, komplizierter. Es sei nicht der offenere Diskurs über Männlichkeitsideale, der immer mehr kommen lasse. „Sondern, dass es einfach immer mehr schlecht geht.“

Initiative will Problembewusstsein schaffen

Doch bis es soweit ist und die Männer bei Plattformen wie bei Circle of Men ankommen, sei es ein langer Weg. „Für viele Männer ist es immer noch ein großer Schritt, sich Hilfe zu suchen und sich zu öffnen“, sagt auch Hartmann. „Manche informieren sich im Internet über Männergesprächsgruppen, brauchen dann aber noch etwa ein bis zwei Jahre, bis sie wirklich in eine Gruppe reinschnuppern. Insgesamt ist noch eine große Scham zu erkennen, sich zu öffnen.“

„Für unsere Arbeit liegen die Hürden auch darin, dass es bei öffentlichen Stellen oder Stiftungen häufig noch kein Bewusstsein dafür gibt, dass auch Männer in der Krise Unterstützung brauchen, beziehungsweise, dass es überhaupt Männer gibt, denen es schlecht geht“, sagt Gaßmann. Bereits die Gründung der gemeinnützigen GmbH sei da „eine Herausforderung“ gewesen. Die  Teilnahme an der Männergruppe kostet monatlich 65 Euro, für finanzschwache Personen 45 Euro, so das Team. Die Treffen finden alle zwei Wochen statt.

Und ist Gewalt ein Thema? Gewahl bejaht sofort. Er beschreibt, dass in den Kreisen im Gespräch manchmal herauskomme, dass Männer Gewalt angewendet haben oder selbst zum Beispiel früher Gewalt erlitten haben. Oft komme es in diesem Kontext zu einem Austausch, in dem auch Vater-Sohn-Rollenbilder thematisiert werden. Es sei allgemein der intergenerationale Austausch, der so wichtig sei, betonen die Gründer.

Schutzraum Ludwigshafen oder fairmann UG Heidelberg mit ähnlichem Angebot

Beratungsangebote gibt es in der Region etwa auch Ludwigshafen beim Verein „Schutzraum“, bei denen sich ein Berater um Probleme und Themen von Jungen und Männern kümmert. In Heidelberg gibt es die „fairmann UG“, die ihren Fokus auf Gewaltschutz und -prävention bei Männern hat. „Wir sind gerade dabei, einen digitalen Männerkreis einzurichten, um auch die Männer, die nicht in Ballungsgebieten leben und  eine zu weite Anreise zu den Gesprächskreisen hätten, zu erreichen“, sagt Gaßmann. Denn er und sein Team wissen: Die Nachfrage ist da.

Mehr Infos und Kontakt: www.circleof.men/start

Die Teilnahme bei Circle of Men ist unabhängig von sexueller Identität, Orientierung oder Geschlecht, auch etwa Transpersonen sind willkommen, betont das Team.

Lorenz Gaßmann hat mit Circle of Men zudem einen neuen Podcast "Lorenz lauscht" gelauncht: Auch hier geht es um vielfältige Männerbilder. In seinen ersten Folgen empfängt er als Gast etwa Tom, Berater bei einer psychologischen Beratungsstelle eines Studierendenwerks. Im Gespräch geht es unter anderem über Übergänge im Leben, alte und neue Männerbilder, Identitätsfindung und Männer in therapeutischen Berufen. In einer weiteren Folge spricht er mit Alex, einem Ex-Zeitsoldat der Bundeswehr über die Zeit dort und danach - und das Männerbild des Soldaten.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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