Nathan Blecharczyk hat vor 16 Jahren Airbnb mitgegründet. Die Idee: Jedermann soll sein Zuhause unkompliziert kurzzeitig vermieten können. Zum Beispiel, wenn man in den Urlaub fährt. Mittlerweile ist das Start-up Weltmarktführer. Und als Global Player kommen manche Probleme ganz von allein. Ein Gespräch über Regulierung, Verbote, Künstliche Intelligenz und Bettwanzen.
Herr Blecharczyk, wenn Sie reisen, übernachten Sie in Airbnb-Wohnungen oder Hotels?
Nathan Blecharczyk: Ich bin gerade mit meiner Familie auf Europareise. Und in den letzten 45 Tagen haben wir 43 Mal in Airbnb-Unterkünften übernachtet. Ich lebe also quasi zurzeit in Airbnb-Wohnungen (lacht). Gerade sind wir in Barcelona, und bis jetzt ist das hier die beste Wohnung, in der wir bisher waren.
Haben Sie einen Tipp, wie man auf Airbnb so eine tolle Unterkunft findet?
Blecharczyk: Das A und O sind die Bewertungen - lesen Sie sich die Bewertungen durch! Passend dazu stellen wir ja gerade ein großes Update vor. Auf unserer Plattform gibt es insgesamt rund 371 Millionen Bewertungen von Gästen und Gastgebern zum Aufenthalt - eine unglaubliche Datenmenge! Und nicht alle Nutzer haben immer verstanden - und es war auch technisch bis jetzt nur eingeschränkt möglich -, wie man die besten Airbnbs findet. Mit unserem Update sollen Nutzer jetzt schneller die besten Wohnungen finden können.
Deutsche planen mehr als alle anderen. Sie sind immer die Ersten, die im neuen Jahr buchen.
Wie funktioniert das genau?
Blecharczyk: Wir haben ab sofort eine Sammlung aus zwei Millionen am besten bewerteten Unterkünften auf der Plattform. Die sind sortiert nach Sternenanzahl, Preis-Leistungs-Verhältnis und Zuverlässigkeit. Die besten Unterkünfte mit 4,9 Sternen und mehr sind die, die wenige Last-minute-Stornierungen haben - weniger als ein Prozent - und die weniger als ein Prozent Beschwerden beim Kundendienst haben. Und jetzt gibt es zudem eine neue Filterfunktion für Bewertungen, um genau diese Unterkünfte weltweit besser finden zu können.
Wie hat sich Airbnb denn die letzten Jahre entwickelt?
Blecharczyk: Wir haben sieben Millionen Unterkünfte, die auf unserer Webseite angeboten werden. Davon wurde allein im vergangenen Jahr eine Million neu hinzugefügt. Das bedeutet ein jährliches Wachstum von 19 Prozent für uns. Und ich glaube, im Zuge der Inflation haben einige Menschen das Homesharing auf Airbnb als zusätzliches Einkommen für sich entdeckt. Und mit unseren jetzigen Updates wollen wir Airbnb auch für neue Nutzer noch einfacher und intuitiver gestalten.
Wie hat Corona das Reisen verändert?
Blecharczyk: Es gibt zwei große Trends, die sich aus Corona ergeben haben: Zum einen gibt es mehr Langzeitaufenthalte von 28 Nächten und länger. Die Menschen haben heute mehr Flexibilität als früher und können überall leben und arbeiten. Deutsche beispielsweise haben in der ersten Jahreshälfte 2023 94 Prozent mehr Langzeitaufenthalte als noch 2019 gebucht.
Und der zweite Trend?
Blecharczyk: Zum anderen wird Reisen aufs Land immer beliebter. Ziele, die gerade im Trend liegen, sind der Bodensee, die Alpen oder Eslohe in Nordrhein-Westfalen. International sind Thailand, Spanien und die Schweiz besonders beliebt. Insgesamt haben deutsche Gäste in der ersten Hälfte dieses Jahres 63 Prozent mehr Übernachtungen bei uns gebucht als 2019.
Gibt es speziell deutsche Eigenheiten beim Reisen?
Blecharczyk: Deutsche planen mehr als alle anderen. Sie sind immer die Ersten, die im neuen Jahr buchen. Sie haben die längste Vorlaufzeit. Außerdem fallen 30 Prozent der deutschen Inserate in unsere Kategorie „Gästefavoriten“. Das ist sehr hoch. Die Qualität hierzulande ist also sehr hoch.
Stichwort beliebte Reiseziele: Paris hat derzeit ein Bettwanzenproblem. Haben Sie einen Tipp, wie sich Reisende am besten dagegen schützen können?
Blecharczyk: Wir haben unsere Daten ausgewertet und konnten dort keinen Anstieg der gemeldeten Bettwanzenrate in Paris ausmachen. Ich habe auch die Berichte in den Zeitungen gelesen. Aber unsere Daten unterstützen das nicht für Airbnb-Inserate. Trotzdem nehmen wir die Warnungen sehr ernst: Wenn Fälle gemeldet werden, stellen wir das Inserat offline und gehen sicher, dass die Einrichtung professionell gereinigt wird, bevor sie wieder auf die Plattform kommt.
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Sie haben mächtig Ärger in Italien: Airbnb muss dort rund 780 Millionen Euro an den Fiskus abtreten. Der Vorwurf: Sie hätten über Jahre die Steuern für Kurzzeitvermietungen nicht gezahlt. Was sagen Sie dazu?
Blecharczyk: Airbnb Ireland führt seit Juni 2023 aktive Gespräche mit der italienischen Steuerbehörde, um diese Angelegenheit zu klären. Wir sind überrascht und enttäuscht über die am Montag angekündigte Maßnahme der italienischen Staatsanwaltschaft. Wir sind überzeugt, dass wir in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz gehandelt haben, und beabsichtigen, unsere Rechte in Bezug auf diese Angelegenheit geltend zu machen.
Die Stadt New York hat jüngst bekannt gegeben, Airbnb komplett verbieten zu wollen. Was bedeutet das für Sie?
Blecharczyk: Die meisten Städte haben Airbnb bereits reguliert - schließlich gibt es uns ja auch schon seit 16 Jahren. Wenn wir uns unsere Top-200-Destinationen anschauen, sind 80 Prozent davon ein regulierter Markt. New York ist ein extremes Beispiel. Grundsätzlich geht es doch darum, eine gute Balance zu finden: Regulierung und Kontrollen sind notwendig. Gleichzeitig sollte man Kollateralschäden aber vermeiden. Unsere Nutzer wollen mit der kurzzeitigen Vermietung ihrer Wohnungen ein zusätzliches Einkommen haben. Oder müssen sogar vermieten, um ihre teure Miete bezahlen zu können. Und New York hat diese Balance leider nicht hinbekommen.
Werden strikte Regulierungen wie in New York auch in deutschen Städten wie Berlin, München oder Köln kommen?
Blecharczyk: In den meisten deutschen Städten ist der Markt bereits reguliert. Eines der besten Beispiele dafür ist Hamburg - eine der ersten Städte in Deutschland, die sehr erfolgreiche Maßnahmen umgesetzt hat. Trotz dieser Kontrollmaßnahme können wir unsere Dienstleistungen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben anbieten. Das Online-Registrierungssystem ist ein sehr wichtiges Werkzeug, um den Markt zu regulieren: Es ist nicht übermäßig bürokratisch und durch moderne digitale Tools dennoch verlässlich.
Sie haben vor Kurzem als offizielle Richtlinie verkündet, dass Partys in Airbnb-Wohnungen weltweit verboten sind. Wie wollen Sie das durchsetzen?
Blecharczyk: Das machen wir auch mithilfe von KI. Algorithmen, die auf KI basieren, durchsuchen Hunderte Daten, um mögliche Partys herauszufiltern. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn jemand jung ist und an Halloween in letzter Minute ein teures, großes Airbnb bucht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieser Nutzer eine Party feiern wird. Und wenn uns so ein Gast angezeigt wird, blockieren wir die Buchung. Wir haben diese Technologie in den letzten Jahren perfektioniert, und sie ist sehr effektiv. Die Partyrate ist seit 2020 um 50 Prozent gesunken.
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