Drogen

Kiffen im Abseits: Die Lage an Mannheimer Schulen

Jugendliche konsumieren Cannabis, werden jedoch kaum an Schulen erwischt. Wie die Lage an Mannheimer Schulen ist und was die Lage so problematisch macht.

Von 
Valerie Gerards
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Mehrere Vereine in Rheinland-Pfalz stehen schon in den Startlöchern. Sie erwarten sehnsüchtig das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis. © Annette Riedl

Mannheim. Kiffende Schüler in der großen Pause? Das will zumindest Jens Jansen von der Bürgerinitiative Neckarstadt-West beobachtet haben. In einer Mail an Polizei, Ordnungsamt, das Quartiersmanagement Neckarstadt-West und die Humboldt-Schule hat er darauf hingewiesen, dass mutmaßlich Schüler der Werkrealschule in der Neckarstadt-West während der Schulpausen regelmäßig auf dem nahe gelegenen Spielplatz in der Zehntstraße Cannabis konsumieren würden. Er meint, die Problematik sei bekannt, und es würde nichts dagegen unternommen. Wie ausgeprägt ist die Cannabisproblematik an Mannheimer Schulen aus Sicht der Schulleiter und der Polizei?

Wie viel Jugendliche konsumieren überhaupt Cannabis?

Neun Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) schon einmal Cannabis ausprobiert. Damit liegt der Anteil höher als noch vor zehn Jahren. Im Jahr 2011 gaben in dieser Altersgruppe 6,7 Prozent an, bereits Cannabis konsumiert zu haben.

Wie viel wird an den weiterführenden Schulen gekifft?

Eine Anfrage im Polizeipräsidium Mannheim, wie oft die Polizei wegen Cannabiskonsums in Mannheim an Schulen gerufen wurde, sei nicht einfach zu beantworten. Die Statistik gibt lediglich Aufschluss darüber, wie viele Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Cannabis am „Tatort öffentliche Schule“ begangen wurden: Im vergangenen Jahr waren es zwölf. Ob die Verstöße zur Schulzeit oder abends begangen wurden, gibt die Statistik aber nicht her. „Wenn abends Erwachsene mit Betäubungsmitteln auf einem Schulgelände kontrolliert und angezeigt werden, dann erscheinen diese Verstöße auch in dieser Tabelle“, teilt Polizeipressesprecher Michael Schnell mit.

Alles rund um Cannabis

  • Cannabis ist der lateinische Oberbegriff und wird in zwei Unterkategorien unterteilt: Hanf und Marihuana.
  • Hanf (sogenannter Nutzhanf): Aus den Fasern lassen sich Dämm- und Isolierstoffe, Kleidung, Seile, Matten und Abdeckfliese für den Acker- und Gemüsebau herstellen. Einige Automobilhersteller nutzen sie zur Herstellung von Auto-Innenverkleidungen. Die Samen werden vorwiegend zu hochwertigem Speiseöl und Futtermittel verarbeitet, Blätter und Blüten zu Tee. Mindestens 20 Prozent Cannabidiol (CBD) enthält der Nutzhanf. Es wirkt entzündungshemmend und kann bei Asthma und chronischen Darmerkrankungen eingesetzt werden. Cannabidiol findet man auch in einigen kosmetischen Produkten.
  • Marihuana: Während Nutzhanf nur maximal 0,2 Prozent des psychoaktiven, rauschverursachenden Tetrahydrocannabinol (THC) enthält, weist Marihuana eine Konzentration von über 20 Prozent auf. Es wird in der Medizin eingesetzt oder als Joint konsumiert, um einen Zustand des „High-Seins“ zu erreichen. Als Marihuana bezeichnet man die getrockneten Blüten der weiblichen Pflanze, Haschisch dagegen ist das gesammelte, gepresste Harz.
  • Strenge Auflagen, scharfe Kontrollen: Der Anbau von Nutzhanf unterliegt den strengen Regeln des Betäubungsmittelgesetzes. Ausschließlich landwirtschaftlichen Betrieben ist der Anbau erlaubt. Der THC-Gehalt darf nicht höher als 0,2 Prozent sein und wird durch Probenentnahme von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung kontrolliert. Sie legt in einem Katalog fest, welche Sorten für den Anbau zugelassen sind.
  • Rechtliches: Marihuana und Haschisch gelten bisher als illegale Drogen. Der Konsum ist erlaubt. Verboten ist alles andere – der Kauf, der Besitz, der Anbau und der Verkauf.
  • Medizinisches Cannabis: Schwerkranke können Cannabis auf Rezept bekommen. Medizinalhanf wird vorwiegend Menschen verschrieben, die unter chronischen Schmerzen leiden, eine Chemotherapie machen oder an Aids erkrankt sind. Medizinisches Cannabis wird über Apotheken verkauft.
  • Hanf selbst anbauen: In seltenen Fällen bekommen Patienten eine Sondergenehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Damit die Behörde die Genehmigung erteilt, müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein. 

Auf die Situation auf dem Spielplatz in den Schulpausen angesprochen, meint der Rektor der Humboldt-Schule, Marc Wenning, man könne nicht ausschließen, dass tatsächlich Schüler seiner Schule dort beobachtet worden seien. Doch er ist davon überzeugt davon, dass die Lehrer es bemerken würden, wenn ein Schüler bekifft im Unterricht sitzen würde.

Das Kollegium in der Neckarstadt-West sei sensibilisiert, aber trotz Brennpunkt-Viertel sei die Schule nicht besonders betroffen. In den vergangenen sieben Jahren, in denen er zunächst Konrektor war und jetzt Rektor ist, sei kein einziger Fall vorgekommen. „Das heißt nicht, dass unsere Schüler nichts mit Drogen zu tun hätten. Aber es ist noch niemand während der Schulzeit bekifft oder mit Gras erwischt worden“, sagt er. Die Gelegenheit für Schüler, während der Schulzeit zu kiffen, sei laut Wenning zudem gering: Anders als etwa in der gymnasialen Oberstufe gebe es an der Humboldt-Schule keine Freistunden.

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Bei den Besprechungen der Mannheimer Gymnasien ist Cannabiskonsum kein Thema, das als brisant auf der Tagesordnung stehe. Jedenfalls wird laut Roland Haaß, geschäftsführender Schulleiter der Gymnasien und Rektor des Johanna-Geissmar-Gymnasiums (JGG), nicht speziell darüber diskutiert. „Aber die Statistik sagt, dass es auch bei uns einige Schüler geben muss, die konsumieren“, sagt er. Das komme jedoch nicht immer ans Licht.

Welche Regeln und Sanktionen gibt es?

Wie die Mannheimer Schulen mit dem Thema Cannabis umgehen und Schüler sanktionieren, liegt im Ermessen der jeweiligen Schule - das Regierungspräsidium in Karlsruhe, das Staatliche Schulamt Mannheim, das für alle Schulen jenseits der Gymnasien zuständig ist, oder die Stadt Mannheim geben dafür keine Regularien vor.

Wenn der Verdacht besteht, dass ein Schüler Cannabis konsumiert hat und etwa unregelmäßig zum Unterricht erscheint, werden etwa am JGG laut Haaß die Eltern und die Schulsozialarbeiterin kontaktiert. Einen solchen Verdachtsfall habe es vor einigen Jahren an seiner Schule gegeben. Im vergangenen Jahr sei ein Schüler wegen Cannabiskonsum von der Schule verwiesen worden, um den Rest der Klasse zu schützen. Der Schüler habe wohl auch Drogen weitergegeben.

Cannabisfälle gab es an der Humboldt-Schule bisher nicht - mit E-Shishas wurden hingegen schon mehrere Schüler erwischt. Diese werden laut Wenning konfisziert und die Eltern informiert.

Welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

26 der insgesamt 40 Mannheimer Schulen haben im vergangenen Jahr Präventionsmaßnahmen in Kooperation mit der Polizei angeboten. „Wir sind verpflichtet, Suchtprävention in bestimmten Klassenstufen umzusetzen, wenn uns die Anfrage der Schule erreicht. Aber die Schulen entscheiden selbst, ob Sie unser Angebot oder das einer anderen Einrichtung oder Institution nutzen wollen“, sagte Polizeisprecher Schnell.

Am JGG laufen die Präventionsmaßnahmen bis Klasse zehn. An der Humboldt-Schule gibt es jedes Jahr für jede Klasse verschiedene Präventionsprogramme. Die Drogenprävention findet dort hauptsächlich in Klasse acht statt.

Macht Kiffen dumm?

Cannabiskonsum in jungen Jahren dürfte tatsächlich für Intelligenzverlust verantwortlich sein. Wer schon als Jugendlicher regelmäßig kifft, hat später einen niedrigeren Intelligenzquotienten (IQ). Das haben Forscher der Universität Oregon in einer Studie von 2012 herausgefunden. Je länger die Testpersonen gekifft hatten und je jünger sie waren, desto stärker sank ihr Intelligenzquotient - um bis zu acht Prozentpunkte.

Ab 18 Jahren ist Cannabis legal - warum ist der Konsum dann für Jugendliche problematisch?

Entscheidend war laut der Studie der frühe Einstieg. Wer mit 18 Jahren oder später in den Konsum eingestiegen ist, hatte keinen signifikanten Intelligenzverlust. Das jugendliche Gehirn ist vermutlich deshalb besonders anfällig für die schädlichen Wirkungen von Cannabis, weil während der Pubertät wichtige Reifungs- und Umbauprozesse im Gehirn stattfinden.

Ein IQ von 92 statt 100 bedeute eine unterdurchschnittliche Intelligenz, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der US-amerikanischen Duke Universität. Ein höherer IQ hänge allgemein mit einer besseren Bildung, einem höheren Einkommen und einem gesünderen Lebensstil zusammen. Demzufolge bringe der Verlust von acht Punkten des IQ vermutlich langfristig bedeutsame Nachteile mit sich.

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