Nahost

Wie ein Mannheimer die Angriffe der Hamas erlebt hat

Oskar Meier absolviert ein Freiwilliges Friedensjahr in Ost-Jerusalem. Doch seit Samstag spricht in Israel keiner mehr von Frieden. Warum der 18-Jährige aus Mannheim dennoch im Krisengebiet bleiben will

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Walter Serif
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Israelis spenden nach den Anschlägen Blut beim Rettungsdienst Magen David Adom in Jerusalem. © Maya Alleruzzo/AP/dpa

Mannheim. Oskar Meier gehört zu den jungen Menschen, die Gutes tun wollen. Der Mannheimer absolviert deshalb ein Freiwilliges Friedensjahr und arbeitet seit sechs Wochen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes auf dem Ölberg in Ost-Jerusalem.

Doch seit Samstag spricht in Israel keiner mehr vom Frieden. „Bürger Israels, wir sind im Krieg“, teilte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Video-Botschaft mit. Und am Sonntag erklärte das Sicherheitskabinett offiziell den Kriegszustand. Das hätte sich der junge Mannheimer bei seiner Abreise nicht vorstellen können.

Raketen wurden alle abgewehrt

Vom Krieg hat der 18-Jährige zum Glück in Ost-Jerusalem nicht viel mitbekommen. „Samstagmorgen gab es den ersten Alarm, die Raketen wurden aber alle abgewehrt“, sagt er am Sonntag per WhatsApp. „Natürlich ist es in der Stadt ruhiger geblieben, aber Panik ist keine ausgebrochen“, sagt er.

Lebt und arbeitet aktuell in Jerusalem: der Mannheimer Oskar Meier. © Privat

Das ist nachvollziehbar, denn die islamistische palästinensische Terrororganisation Hamas konzentriert ihre Angriffe ja auch auf die israelischen Gebiete jenseits des Gazastreifens.

Obwohl jeder sich im Ausland auf eine Liste des Auswärtigen Amtes setzen lassen muss, haben nicht alle Deutschen, die Oskar Meier kennt, eine Warnung erhalten. Das hätte eigentlich passieren müssen. „Aber wir waren ja schnell in Sicherheit. Auf unserem Gelände gibt es einen Schutzbunker. Große Angst hatte und habe ich deshalb auch keine“, beschreibt er seine Gefühlslage.

Ich will hier bleiben. Solange es keine Anweisung vom Auswärtigen Amt gibt, besteht für mich kein Grund, das Land zu verlassen
Oskar Meier Mannheimer in Israel

Überlegt der 18-Jährige nicht doch, ob er das Land verlassen soll, niemand kann ja eine Eskalation des Krieges ausschließen? „Nein, ich will hier bleiben. Solange es keine Anweisung vom Auswärtigen Amt gibt, besteht für mich kein Grund, das Land zu verlassen. Wir sind hier ohnehin kein Zielgebiet der Hamas, denn hier auf dem Gelände ist ja auch ein palästinensisches Krankenhaus“, erklärt Oskar Meier, warum er sich relativ sicher in Ost-Jerusalem fühlt.

Aber so richtig weiß man das nie. Immerhin gibt es nur 200 Meter entfernt vom Institut eine jüdische Siedlung. Und die Hamas hat angekündigt, dass sie ihre Raketenangriffe aufs Westjordanland und eben auch Jerusalem ausweiten will.

In Jerusalem relativ sicher?

„Das glaube ich eher nicht. Und die, mit denen ich rede, glauben das auch nicht“, meint Meier. Und warum nicht? „Dazu braucht man Raketen mit einer größeren Reichweite, die sind teuer, von denen hat die Hamas nicht so viele“, bezweifelt der Mannheimer, dass die Terrororganisation ihren Worten auch Taten folgen lassen kann.

Ein Blick in die Altstadt von Jerusalem - vor den Hamas Anschlägen am Wochenende. © Maya Alleruzzo/dpa

Dennoch wird er das Gelände vorläufig nicht verlassen. Die Meldungen, dass eine Deutsche entführt worden ist, hat er natürlich auch gelesen und will deshalb auch nicht leichtsinnig werden.

Was sind die Motive der Hamas?

Interessant ist der Artikel von „Al -Dschasira“, den Meier uns schickt. Dort begründet die Hamas die Angriffe auch mit religiösen Motiven. Nämlich damit, dass Tausende jüdische Siedler während des Laubhüttenfests mit ihren Besuchen die Al-Aksa-Moschee entweiht hätten.

Auf dem Tempelberg stehen mit der Moschee und dem Felsendom wichtige islamische Stätten - nahe der Klagemauer, dem höchsten jüdischen Heiligtum. Ein weiteres Pulverfass.

Historische Altstadt wie ausgestorben

„Die Hamas hat die Religion als Motiv nur vorgeschoben“, sagt Oskar Meier. Das Jubel-Feuerwerk der Palästinenser am Samstagabend hat der Mannheimer mitbekommen. „Ich habe schon vor dem Krieg einige beim Einkaufen getroffen. Sie haben nicht richtig gehetzt, aber schon klar gemacht, dass sie mit den Israelis nichts zu tun haben wollen.“

Der Krieg schweißt wiederum die Israelis zusammen. „Im Bunker war eine Frau völlig aufgelöst. Die hat geweint, weil sie jetzt ganz allein ist, denn ihre Familie und die Freunde sind alle gleich eingezogen worden. Sie ist aufgestanden und hat gesagt: ,Ich melde mich jetzt auch.“

Der Streit um die Justizreform, der das Land gespalten hat, spielt jetzt keine Rolle mehr. „Jetzt gibt es für die Israelis nur noch einen Feind“, sagt Oskar Meier. Am Sonntagnachmittag ist die Altstadt wie ausgestorben.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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