Zur Ausrüstung eines Polizisten gehören nicht nur Handschellen und Dienstpistole. In der Rhein-Neckar-Region haben viele Beamte auch Kärtchen mit einer Heidelberger Nummer dabei: 06221/73 92 11 6. Wer sie wählt, erreicht die „Beratungs- und Koordinierungsstelle psychosoziale Notfallversorgung Rhein-Neckar“ (BeKo). Seit ihrer Gründung 2019 haben hier mehr als 600 Betroffene eines belastenden Ereignisses, zum Beispiel eines Verbrechens oder Unfalls, Hilfe gesucht. Doch ab nächstem Jahr ist die Zukunft der BeKo ungewiss - bisher ist ungeklärt, wer dann die Finanzierung übernimmt. Darauf machte der Verein „Sicheres Heidelberg“ bei seiner Mitgliederversammlung am Donnerstag aufmerksam.
Im Gegensatz zur Opferhilfe steht das Angebot der BeKo nicht nur den unmittelbaren Opfern einer Straftat offen, sondern allen Betroffenen eines belastenden Ereignisses in Mannheim, Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis. Dazu zählen auch Todesfälle und Unfälle. Zu den Betroffenen gehören auch Familienangehörige, Zeugen oder Personen, die beruflich mit direkt Betroffenen zu tun haben - zum Beispiel Schulsozialarbeiter. Außerdem stelle die BeKo auch nicht die Schuldfrage, betont Tanja Kramper, Opferschutzkoordinatorin des Polizeipräsidiums Mannheim. Das heißt zum Beispiel: Auch wer an einer Prügelei beteiligt war, kann bei der BeKo anrufen. Die BeKo sei „eine Anlaufstelle erst mal für alles“, sagt die Psychologin Angelika Treibel, die Leiterin und einzige Mitarbeiterin der BeKo.
Anschubfinanzierung endet
In den ersten vier Jahren wurde das von der Arbeiterwohlfahrt getragene Projekt vor allem durch die Stadt Heidelberg, die Stadt Mannheim und den Rhein-Neckar-Kreis finanziert. Deren Unterstützung sei von Anfang an als Anschubfinanzierung angelegt gewesen, sagt Treibel - sie sollte ursprünglich schon nach zwei Jahren wegfallen. Nun ist es nächstes Jahr soweit. Ab 2024 hat die BeKo Treibel zufolge daher einen jährlichen Finanzbedarf von 75 000 bis 80 000 Euro. Davon wird in erster Linie Treibels Stelle finanziert. Darüber hinaus brauche es nicht viel, sagt Treibel - „im Grunde nur ein Telefon, einen Internetanschluss und einen Raum, in dem jemand sitzen kann“. Auch Spenden können einen Beitrag leisten. Im April spendeten die Sparkassen Heidelberg und Rhein-Neckar Nord bereits 30 000 Euro für das Projekt.
Weil die BeKo einem breiten Personenkreis offen steht, erreiche sie auch Betroffene, die sonst durch die Maschen des Beratungssystems fallen würden, sagt Treibel. Wichtig sei außerdem, dass die Betroffenen bei der BeKo sehr schnell eine erste Beratung erhielten - die meisten melden sich in den ersten Tagen und Wochen nach dem Ereignis. Diese Phase sei für die Betroffenen oft „chaotisch“, sagt Treibel. Vergleichbar einem Hausarzt biete die BeKo ihnen ein erstes Gespräch und lotse sie bei Bedarf zu anderen Beratungsangeboten weiter. Wer möchte, kann anonym bleiben.
Mehr als 70 Prozent der Anrufer bei der Beratungsstelle sind Frauen. Die meisten melden sich nach einer Straftat, häufig auf Vermittlung der Polizei. Auch aus ihrer Sicht würde ein Wegfall der BeKo eine Lücke reißen, sagt Tanja Kramper vom Polizeipräsidium Mannheim. Die Polizei sei „froh darüber, dass wir die Beratungsstelle haben“, vor allem in Fällen, für die es keine spezialisierten Angebote gebe.
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