Mannheim. Von der 500 Kilogramm schweren Fliegerbombe bis zum privaten Waffenarsenal: Gar nicht so unregelmäßig müssen Spezialkräfte in Mannheim anrücken, um gefährlichen Sprengstoff, scharfe Munition oder Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen. Wie etwa in einem Fall Mitte August: Eine Handgranate, scharfe Munition, eine Schusswaffe und Teile eines Sturmgewehrs - das alles finden Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Mannheim in einem privaten Schuppen und zwei Wohnungen.
Bombenentschärfer in Mannheim im vergangenen Jahr 33 Mal ausgerückt
Davon Wind bekommt die Polizei, weil die Ex-Partnerin eines 51-Jährigen sich meldet und erklärt, dass ihr Ex für einen Freund diese Waffen aufbewahrt. Tatsächlich entdecken die Polizisten in der Wohnung des Ex-Partners auch einen Transportbehälter für Handgranaten. Später stellt der alarmierte Entschärfungsdienst des Landeskriminalamts (LKA) Baden- Württemberg fest: Dabei handelt es sich um eine scharfe Kriegswaffe aus Ex-Jugoslawien.
Wer was entschärft und als Beweismittel sichert
- Der Entschärferdienst des LKA BW wird alarmiert, wenn Spreng- und Brandvorrichtungen, Explosivstoffe, militärische Munition und manipulierte Pyrotechnik im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als Beweismittel in Betracht kommen.
- Die Spezialisten sind erster Ansprechpartner in der polizeilichen Bewältigung von chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Einsatzlagen. Er trifft in diesen Lagen alle Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Gerufen werden die LKA-Experten auch für die Bewältigung lebensbedrohlicher Einsatzlagen und bei Terrorismusbekämpfung.
- Der beim Regierungspräsidium Stuttgart angebundene Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) entschärft und entsorgt Kampfmittel, Munition und Munitionsteile, sofern der Entschärfungsdienst nicht zuständig ist. Der KMBD kümmert sich um Bodenfunde von Kampfmittel, Munition oder Munitionsteilen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, Funde von Kampfmitteln, Munition oder Munitionsteilen in Gewässern. Der KMBD entschärft, birgt und vernichtet Kampfmitteln.
- Die Suche und Bergung von Kampfmitteln haben Grundstückseigentümer selbst zu veranlassen und können den KMBD gegen Kostenerstattung dafür anfragen sowie private Kampfmittelbeseitigungsfirmen.
Laut LKA zeigt dieser Fall exemplarisch: Kriminelle nutzen oftmals nicht nur herkömmliche illegale Schusswaffen, sondern auch Kriegswaffen und Sprengmittel. Allein im Jahr 2021 war der Entschärfungsdienst 340 Mal landesweit im Einsatz und ist davon 42 Mal in Mannheim angerückt.
2022 wurden die Experten von 420 Einsätzen landesweit 33 Mal nach Mannheim gerufen, so das LKA auf Anfrage. Dabei entschärfen die LKA-Kräfte funktionsfähige Handgranaten, aber auch unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen, sogenannte USBV. Darunter fallen „herrenlose“ Koffer oder Ähnliches.
Entschärfungsdienst zuständig für Pyrotechnik und Munition
Zuständig sind die LKA-Spezialisten auch für „aufgefundene militärische Munition, Pyrotechnik/verbotene Pyrotechnik oder andere Einsatzunterstützungen wie (Gebäude-)Durchsuchungen“, erklärt eine LKA-Sprecherin.
„Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden im In- und Ausland belegen, dass oftmals konventionell hergestellte militärische Kriegswaffen mit Explosivstoffen wie Handgranaten, Mörsergranaten oder Minen durch Straftäter verändert werden, dass sie als USBV dienen“, sagt Stefan Knapp, stellvertretender Leiter des Kriminaltechnischen Instituts. Solche Waffen zu entschärfen erfordere neben Spezialkenntnissen auch Nervenstärke und gehöre zu den gefährlichsten Aufgaben der Polizei.
Entschärfer bei Weltkriegsbomben besonders gefordert
Nervenstärke braucht es auch bei Großeinsätzen samt Evakuierung, wenn etwa eine alte Weltkriegsbombe gefunden wird. Dafür rücken meistens nicht die Spezialisten des LKA an, sondern vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Beauftragt wird der Dienst etwa von der Stadt selbst oder von privaten Personen oder Unternehmen.
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In Mannheim können städtische Dienststellen den Kampfmittelbeseitigungsdienst beauftragen, wie der Fachbereich Bau- und Immobilienmanagement im Rahmen von Baumaßnahmen oder das Nationaltheater aufgrund der Generalsanierung. Auch im Rahmen der Buga-Baumaßnahmen hat es laut Stadt mehrere Einsätze mit kleineren Funden wie Patronenhülsen gegeben, die abgeholt wurden.
Weltkriegsbomben in Mannheim gefunden
Auf Nachfrage erklärt Stadtsprecherin Désirée Leisner: 2021 wurde der Dienst fünf Mal beauftragt, 2022 zehn Mal. Zu den auffälligsten Fällen zählen
- drei Bombenfunde auf der Maulbeerinsel
- einer nahe des Carl-Benz-Stadions
- sowie eine 500 Kilo schweren Fliegerbombe auf dem Areal der ehemaligen Franklin-Kaserne in Käfertal im Pandemiejahr 2021.
Und ein Fall im Juli 2022: Bei Bauarbeiten im Zuge der Errichtung der Seilbahn für die Buga finden Bauarbeiter auf der Maulbeerinsel zwischen der Riedbahn-Brücke und der Carlo-Schmid-Brücke eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Anwohnende müssen in einem Umkreis von 500 Metern ihre Häuser verlassen. Nach einer halben Stunde gelingt es den Experten, den Blindgänger zu entschärfen.
Einen weiteren Fund meldet die Stadt bei den Arbeiten am Nationaltheater. Dort wird ein kleinerer Sprengkörper gefunden, der noch vor Ort gesprengt werden muss. Aber auch auf Privatgelände sind die Einsatzkräfte in Mannheim schon angerückt, als auf dem Betriebsgelände der Firma John Deere ein Kampfmittel entdeckt und die Anwohnenden evakuiert werden. Weil der Zünder mechanisch beeinträchtig ist, sprengen die Experten die Bombe an einem anderen, sicheren Ort. Was die Stadt an dieser Stelle betont: Sämtliche Einsätze seien sehr gut und mit allen Beteiligten professionell verlaufen.
Mögliche Sprengfalle in der Dose
Wie es im Fall der Handgranate im Schuppen eines 51-Jährigen weitergegangen ist? Bei der Untersuchung des Sprengkörpers stellen die LKA-Experten fest: Hier handelt es sich um eine bezündete und wurffertige jugoslawische M50 Handgranate. Aufbewahrt in einer grünen Schraubdose, einem Handgranatentransportbehälter, mit kyrillischer Aufschrift. Mit rund 100 Gramm Trinitrotoluol (TNT) gilt diese Granate als eine der explosivsten weltweit.
Ein weiteres Problem: In der Schraubdose könnte eine als Sprengfalle manipulierte Handgranate sein, die beim Öffnen sofort zündet. „Sprengfallen sind besonders perfide Vorrichtungen. Sie sind dazu bestimmt und gebaut, Menschen zu töten und schwer zu verletzen. Oft sehen die Sprengfallen harmlos und ungefährlich aus“, so ein LKA-Sprecher.
Wer so einen Gegenstand findet, sollte diesen nicht öffnen, sondern die Polizei alarmieren. In der Wohnung des Freundes finden die Beamten später noch Teile eines Sturmgewehrs AK 47 samt Munition. Sowohl der 51-Jährige als auch sein Freund wurden verhaftet, gegen beide wird ermittelt.
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