Evangelische Kirche

Wehmütiger Abschied von Heddesheimer Kindergarten

Mit der Schließung des evangelischen Kindergartens "Die Schäfchen" endet ein ganz besonderes Kapitel in Heddesheim. Einige, die daran mitgeschrieben haben, erinnern sich an frühere Zeiten

Von 
Martin Tangl
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Die „Schäfchen“ mit Eltern und Ehemaligen sowie Franziska Stoellger und Dierk Rafflewski verabschiedeten sich vom Kindergarten in der Beindstraße. © Martin Tangl

Heddesheim. Seit 1906 sind unzählige kleine Heddesheimer in den evangelischen Kindergarten an der Beindstraße gegangen. Mit einem Festgottesdienst und einem Empfang endete nun nach 117 Jahren ein ganz besonderes Kapitel in der Gemeinde.

„Ein wenig traurig“ ist Erzieherin Jennifer Krieger, dass sie und ihre vier Kolleginnen in diesen Tagen ihren Kindergarten „Schäfchen“ verlassen müssen. Die evangelische Einrichtung in der Beindstraße schließt, dort, wo so viele Hellesema einen Teil ihrer Kindheit verbracht haben.

Wohin gehen die Kinder?

Zum Abschied am Sonntag wurden mit Blick auf alte Fotos und im Gespräch mit dieser Redaktion so manche Erinnerungen wach. Zwar ist die „Kinderschule“ der Protestanten nicht der erste Kindergarten im Ort – die Katholiken betreuten ihre Schäfchen bereits seit 1895 im „Schwesternhaus“. „Doch es geht eine Ära zu Ende. Es war eine tolle Zeit“, bedauert Pfarrer Dierk Rafflewski beim Festgottesdienst.

„Ich sehe das aber auch als neuen Anfang“, betont Jennifer Krieger, die in einer Kita in Weinheim einen neuen Job bekommen hat. Karin Siegel-Schur geht nach 45 Jahren – davon neun Jahre bei den Schäfchen, jetzt in Rente. „Alle Erzieherinnen und alle Kinder sind untergekommen“, berichtet Pfarrerin Franziska Stoellger. Einige wechseln in den neuen Sportkindergarten. „Und jedem Kind wurde ein Platz in einer evangelischen Einrichtung angeboten“, ergänzt Stoellger.

Schöne Erinnerungen

„Schöne Erinnerungen“ hat Inge Riebsamen an ihre Zeit im Kindergarten. „Wir sind immer gut behütet worden, ich kann nichts Negatives berichten“, sagt die 72-Jährige. Oft seien die Kinder am Zaun gestanden, wenn zu Beginn der 1950er Jahre wieder mal ein Pferd oder ein Schwein in der Beindstraße gesichtet worden war. Höhepunkte im Kita-Jahr waren für sie die Krippenspiele an Weihnachten und der rote Zuckerhase an Ostern.

Nach 117 Jahren schließt der evangelische Kindergarten in der Beindstraße zu den Sommerferien. Was mit dem Gebäude wird, ist noch ungewiss. © Martin Tangl

Lydia Möller-Kleinert, geborene Kreis, erinnert sich an die evangelischen Schwestern Bertha (Klein) und Sophie (Wüst), die bis 1962 viele Jahre den Kindergarten geprägt haben – manchmal streng, aber immer fürsorglich. „So rund 50 Kinder haben die beiden betreut“, weiß Annemarie Stiefel, die später selbst 14 Jahre als Erzieherin in der Kita gearbeitet hat. Sind die Erinnerungen an ihre Kita-Zeit nur noch bruchstückhaft – „die Ausstattung war damals ziemlich karg“ –, nennt sie ihre pädagogische Arbeit bis 2019 in der Einrichtung „schön, harmonisch und gemütlich“.

Auch Jennifer Krieger spricht beim Abschied ein wenig wehmütig von der familiären Atmosphäre in der kleinen Einrichtung: „Sowas finden wir in den größeren Kindergärten heute kaum noch!“ Lydia Möller-Kleinert erzählt, dass sie Ende der 1950er Jahre noch eigenes Spielzeug mitgebracht hat. „Meinen Puppenwagen habe ich dort gelassen, als ich dann in die Schule kam“, sagt die heute 67-Jährige.

Was passiert jetzt mit Kindergarten-Gebäude?

Viele Kinder konnten schon sehr früh in der Kita untergebracht werden, wie sich Anneliese Bolleyer erinnert, sie sei gerade eineinhalb Jahre jung gewesen. „Daheim war’s mir zu langweilig, im Kindergarten hatten wir eine große Schaukel, einen großen Sandkasten und als Attraktion sogar ein kleines Karussell“, berichtet die 72-Jährige.

„Es war eine schöne Zeit“, bestätigt Gisela Bischoff, geborene Ebinger, deren Eltern eine Bäckerei mit Lebensmittelladen in der Vorstadtstraße hatten. Und Sieglinde Laub (80) erzählt vom evangelischen Bastelkreis, der jahrelang jeden Montag sein Domizil an der Beindstraße gehabt hat.

„Und was passiert jetzt mit dem Gebäude?“, will nicht nur Dierk Rafflewski wissen. „Das ist eine gute Frage, die ich aber auch noch nicht beantworten kann“, erklärt Bürgermeister Achim Weitz. Die Gemeinde habe sich die Immobilie für den Notfall offengehalten, falls es beim neuen Sportkindergarten Verzögerungen gegeben hätte, sagt der Bürgermeister und ergänzt: „Aber der wird nun aller Wahrscheinlichkeit pünktlich bis September fertig. Jetzt müssen wir erstmal die Bausubstanz in der Beindstraße prüfen und uns dann Gedanken über die Zukunft des Gebäudes machen.“

Beim Abschiedsempfang für die „Schäfchen“ grassierte unter den Gästen die Vermutung, dass an der markanten Stelle neben dem Bürgerhaus der Kindergarten wohl abgerissen werde.

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