Pro-Stimme »Corona- Impfschutz ist Schlüssel zur Pandemie-Bekämpfung«
(Fast) jeder weiß es: Der Schlüssel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist der Impfschutz. Es gibt Länder, die eine hohe Impfquote hingekriegt haben: Spanien, Portugal oder Israel. Deutschland gehört leider nicht dazu. Die Bundesrepublik ist seit fast anderthalb Jahren ein Schauplatz der politischen Kakofonie. Die Bundeskanzlerin, Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten übertrafen sich mit Zwischenrufen und produzierten eine babylonische Sprachverwirrung. Mittlerweile schwappt die vierte Corona-Welle über das Land.
Was fehlt, ist politische Führung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat es nie vermocht, die Dringlichkeit der Corona-Krise zu kommunizieren und die Menschen wachzurütteln. Auch der Regierungschef in spe, Olaf Scholz (SPD), verhielt sich merkwürdig still. An Warnungen hat es nicht gefehlt. Spätestens seit dem Sommer hat die große Mehrheit der Virologen Tacheles geredet: Die hoch infektiöse Delta-Variante verändere alles, so der Tenor. Ohne drastische Maßnahmen bestehe die Gefahr, dass das Land in einen finsteren Corona-Winter rausche.
Der Weckruf kam nicht an. Nicht nur bei der FDP galt es als schick, einen neuen Lockdown sowie die Aussetzung des Präsenz-Unterrichts per se auszuschließen. In Zeiten der Pandemie kann nichts ausgeschlossen werden. Die Politik hat es anderthalb Jahre mit Appellen probiert. Sie konnte nicht verhindern, dass die Infektionszahlen nach oben schießen und die Lage in den Krankenhäusern aus dem Ruder läuft. Kurzfristig helfen Kontaktbeschränkungen am meisten. Mittelfristig muss die Impfrate in Deutschland deutlich steigen. Als letztes Mittel darf in einer pandemischen Ausnahmesituation auch eine Impfpflicht kein Tabu sein. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit und die Gesundheit der Gesellschaft gefährdet werden.
Kontra-Stimme »Rufe nach Impfpflicht lenken nur ab«
Hysterie ist ein schlechter Berater. Unter dem Eindruck steigender Corona-Inzidenzen räumen viele in der Republik rechtsstaatliche Positionen in einer Geschwindigkeit, die man vor Kurzem für undenkbar hielt. Zweifellos ist die Pandemie gefährlich. Und zweifellos lässt sich jeder impfen, der einen Funken Verantwortungsbewusstsein in sich spürt. Der Impfstoff weist den Weg aus der Pandemie; es ist grotesk, dass sich ausgerechnet im Land der Erfinder des Biontech-Vakzins so viele Menschen schwer damit tun.
Und doch wäre eine gesetzliche Impfpflicht für alle falsch. Unser Problem ist weniger die kleine Minderheit der Verweigerer, sondern es liegt in der Herausforderung, möglichst schnell die große Mehrheit zu boostern. Rufe nach einer Impfpflicht lenken davon nur ab. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wiegen schwer: Eine Impfung, so hat es der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2016 festgestellt, ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“
Angesicht einer Sterblichkeitsrate von 30 Prozent bei einer Pockeninfektion haben Richter 1959 die Impfung noch als verfassungsgemäß eingestuft. Das lässt sich bei Corona mit einer Letalitätsrate von unter zwei Prozent schwerer sagen. Zumal das Risiko unterschiedlich verteilt ist: Für Menschen über 90 liegt es nach einer italienischen Studie bei 27 Prozent, bei Kindern und Jugendlichen ist es statistisch kaum messbar. Eine Impfpflicht kann es dann nur für bestimmte Altersgruppen geben. Wo fängt sie an? Wo hört sie auf? Warum impfen wir nicht mit Zwang gegen Grippe? Wie sollen Behörden die Impfpflicht durchsetzen? Und wie werden die Gegner darauf reagieren, wenn sie schon heute ohne Not ihre Pässe fälschen? Wie tief wollen wir die Gesellschaft noch spalten? Nein. Es gilt der alte Satz: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.