Finanzen

Wie weit weg ist die Silicon Valley Bank?

Die US-Einlagensicherung hat den Start-up-Spezialisten geschlossen. Jetzt stellt sich die Frage nach einer möglichen Ansteckungsgefahr für die gesamte Branche

Von 
Jörn Bender, Bernhard Funck
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Die Silicon Valley Bank gilt in den USA als „Hausbank der Tech-Industrie“. © Jeff Chiu/AP/dpa

Frankfurt/Washington. Plötzlich ging alles ganz schnell: Binnen weniger Tage verlor die Silicon Valley Bank (SVB) das Vertrauen von Anlegern und Kunden, am Freitag übernahm die US-Einlagensicherung FDIC die Kontrolle und schloss die Bank. Die Schockwellen reichten bis nach Deutschland. Droht eine neue weltweite Finanzkrise wie 2008? Experten sehen diese Gefahr bisher nicht.

Was machte die Silicon Valley Bank?

Das seit 1983 aktive Institut hat sich über die Jahre gewissermaßen zur „Hausbank der Tech-Industrie“ entwickelt. Die SVB finanzierte junge aufstrebende Firmen, der Boom der Start-up-Szene machte die Bank zu einer der größten Banken der USA. Zu den Kunden zählten Medienberichten zufolge auch Start-ups aus Deutschland. Nach Angaben der FDIC verwaltete die Bank mit Hauptsitz in Kalifornien Ende Dezember Vermögenswerte im Volumen von 209 Milliarden Dollar und hatte rund 175,4 Milliarden Dollar an Kundeneinlagen. Mit einer Bilanzsumme von etwa 200 Milliarden Euro sei die SVB „so groß wie eine deutsche Landesbank, aber nur ein Zehntel so groß wie die größte US-Bank, JP Morgan“, ordnete die „Süddeutsche Zeitung“ ein.

Warum ist die Bank in Schieflage geraten?

Überspitzt könnte man sagen: Die SVB hatte zu viel Geld und hat das ungünstig angelegt. Die Bank investierte in Zeiten niedriger Zinsen in US-Staatsanleihen sowie in mit Immobilien besicherte Wertpapiere mit langer Laufzeit. Doch dann erhöhte die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen rasant. Viele Wertpapiere, die die SVB in der Niedrigzinsphase erworben hatte, verloren erheblich an Wert. Zugleich war die SVB gezwungen, Anlegern höhere Zinsen zu bieten, damit diese ihre Gelder nicht abziehen. Mit dem Verkauf von Anleihen machten die SVB jüngst 1,8 Milliarden Dollar Verlust. Der Versuch, über die Ausgabe neuer Aktien frisches Geld bei Investoren einzusammeln, sorgte für weitere Verunsicherung. Allein am Donnerstag brach die SVB-Aktie an der Wall Street um gut 60 Prozent ein.

Ist die Silicon Valley Bank in Deutschland aktiv?

Seit dem 30. Mai 2018 hat die Silicon Valley Bank eine Niederlassung in Deutschland und betreibt von Frankfurt aus Kreditgeschäft. Am Montag schloss die Finanzaufsicht Bafin die Silicon Valley Bank Germany Branch mit sofortiger Wirkung für den Kundenverkehr und erließ ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot. Zugleich erklärte die Bafin: „Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar.“

Droht eine weltweite Finanzkrise wie 2008?

Experten halten dies aktuell für unwahrscheinlich. Zwar wecken die Probleme der SVB und anderen Geldhäusern Erinnerungen an den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, der als Auslöser der globalen Finanzkrise vor etwa 15 Jahren gilt. Allerdings gibt es wichtige Unterschiede: So ist die SVB zwar kein kleines Institut, nach Bilanzsumme rangiert sie an Platz 16 aller US-Banken. Allerdings ist die SVB bei Weitem nicht so groß, wie es Lehman 2008 gewesen ist. Hinzu kommt, dass die SVB ein auf Risikokapital und Start-ups in der Technologiebranche spezialisiertes Geldhaus ist, wohingegen die Bedeutung von Lehman für das Finanzsystem wesentlich größer war.

Zudem sind seit der Finanzkrise zahlreiche Sicherungsmaßnahmen beschlossen worden, die eine Wiederholung damaliger Geschehnisse verhindern sollen. „Politik, Zentralbanken und Finanzmarktteilnehmer haben gelernt“, erklärt etwa Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann. Insbesondere existierten heute Instrumente zur Eindämmung solcher Krisen, die nach 2008 erst geschaffen werden mussten.

Der künftige Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, rät im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) dennoch zu Wachsamkeit angesichts des historischen „Zins-Schocks“: „Spätestens jetzt ist allen klar: Im Finanzsystem entstehen wegen der steigenden Zinsen enorme Verluste, vor allem bei lang laufenden Anleihen und Immobilienkrediten. Manche Banken können die aussitzen. Brenzlig wird es, wenn Kunden ihr Geld kurzfristig abziehen können. Dann können die Verluste so hoch sein, dass die Bank zahlungsunfähig wird, wie in Amerika geschehen.“

Wie geht es für die Silicon Valley Bank weiter?

US-Präsident Joe Biden hat die Sicherheit der Einlagen für amerikanische Bankkunden bekräftigt. „Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass das Bankensystem sicher ist“, sagte Biden. Kunden, die ihr Geld bei in den über das Wochenende geschlossenen Geldhäusern Silicon Valley Bank und Signature Bank angelegt hatten, seien geschützt und hätten ab Montag Zugang zu ihren Ersparnissen. Investoren müssten ihre Verluste hingegen selbst tragen. Die Kosten für die Einlagensicherung müssten nicht die Steuerzahler tragen, sagte Biden. Dafür käme ein Einlagensicherungsfonds auf, in den alle Banken einzahlten.

Wie reagieren die internationalen Finanzmärkte?

Schon in der vergangenen Woche gaben Kurse von Bankaktien – auch deutscher Institute – deutlich nach. Am Montag gingen die Börsen in Europa erneut auf Tauchstation. Der Dollar geriet unter Druck, die Kapitalmarktzinsen gaben nach. dpa

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