Finanzen - Europäische Zentralbank weitet Corona-Hilfen von 600 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro aus

Von einer Krise in die nächste

Von 
Jörn Bender, Friederike Marx
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Die Europäische Zentralbank (EZB) am Frankfurter Main-Ufer. © Boris Roessler/dpa

Frankfurt. Europas Währungshüter stocken ihre Corona-Hilfen kräftig auf. Seit Tagen hatten führende Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) die Märkte darauf vorbereitet. Folgend wichtige Fragen und Antworten dazu.

Welchen Umfang hat das Notkaufprogramm nun?

Das Volumen des am 18. März geschnürten Programms zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen wird fast verdoppelt: 1,35 Billionen Euro will die EZB nun in diesem Rahmen investieren, um die drastischen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Das sind 600 Milliarden Euro mehr als bislang veranschlagt. Laufen soll das Pandemic Emergency Purchase Programme – kurz PEPP – nun bis mindestens Ende Juni 2021 und damit ein halbes Jahr länger als zunächst geplant. Die EZB bekräftigte, sie werde das Notkaufprogramm solange aufrechterhalten, bis der EZB-Rat die Virus-Pandemie für bewältigt hält.

Ist die EZB nun mit ihrem Latein am Ende?

Schon im März hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf Twitter betont: „Es gibt für unseren Einsatz für den Euro keine Grenzen.“ Volkswirte werten das Notkaufprogramm als Lagardes „Whatever it takes“-Moment – in Anlehnung an ihren Vorgänger Mario Draghi. Der Italiener hatte im Sommer 2012 mit wenigen Worten die Eurozone in ihrer bis dato tiefsten Krise stabilisiert: „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten“ („Whatever it takes“). Der Bankenverband BdB begrüßte, „dass die EZB Banken und Anleihemärkten umfangreich Liquidität bereitstellt“.

Warum hatten Volkswirte damit gerechnet, dass die EZB nachlegt?

Ökonomen hatten auf das hohe Tempo verwiesen, mit dem die EZB Anleihen kauft. Damit wären die bisher veranschlagten 750 Milliarden Euro wohl schon im Herbst ausgeschöpft gewesen. Lagarde hatte bereits Ende April betont: „Wir können aktuell bis Ende des Jahres über eine Billion Euro einsetzen.“ Der EZB-Rat sei bereit, den Umfang des Notkaufprogramms „so weit und so lange wie nötig anzupassen“. EZB-Vize Luis de Guindos hatte bekräftigt, die EZB sei „völlig offen“, ihre Maßnahmen „neu zu kalibrieren“ – auch wenn das Notkaufprogramm zeitlich begrenzt bleiben solle.

Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihren Anleihenkäufen?

Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben. Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau. Das sieht die Zentralbank am ehesten gewährleistet, wenn die Preise im Euroraum mit seinen 19 Ländern moderat steigen. Mittelfristig wird eine Teuerungsrate knapp unter zwei Prozent angestrebt. Denn wenn die Preise stagnieren oder fallen, kann das Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Konjunktur bremsen. Über Anleihenkäufe kommt zudem indirekt viel Geld in Umlauf, was normalerweise die Inflation anheizt.

Hat das Bundesverfassungs-gericht der EZB nicht Grenzen gesetzt?

Das oberste deutsche Gericht hat am 5. Mai geurteilt, die Beschlüsse der EZB zu ihrem milliardenschweren Staatsanleihenkaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) seien kompetenzwidrig. Das Programm habe „erhebliche ökonomische Auswirkungen auf nahezu alle Bürgerinnen und Bürger, die als Aktionäre, Mieter, Eigentümer von Immobilien, Sparer und Versicherungsnehmer betroffen sind“, sagte der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Weil Karlsruhe der EZB nicht direkt Vorgaben machen kann, ist nun die Bundesregierung in der Pflicht. Binnen drei Monaten soll sie die EZB bewegen, nachvollziehbar zu dokumentieren, warum das seit März 2015 laufende Programm verhältnismäßig ist. Die Corona-Hilfen der EZB klammerten die Verfassungsrichter in ihrem Urteil ausdrücklich aus.

Welche Folgen hat die Geldpolitik für Sparer und Kreditnehmer?

Die EZB ist seit Jahren im Krisenmodus. Schuldner profitieren vom extrem niedrigen Zinsniveau. Der Leitzins liegt weiterhin auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Leidtragenden sind die Sparer. Wer viel Geld bei der Bank bunkert, dem drohen sogar Negativzinsen. Banken brechen im Zinstief Erträge weg, zudem sind die Negativzinsen trotz Freibeträgen eine Milliardenbelastung für die Finanzbranche. Geschäftsbanken müssen weiterhin 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. 

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