Europäische Zentralbank - Chefvolkswirt Peter Praet dämpft Erwartungen und widerspricht Äußerungen des österreichischen Ratsmitglieds Ewald Nowotny

Verwirrung um EZB-Aussagen zu Zinsanhebung

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EZB-Sitz in Frankfurt: In der Notenbank herrscht keine Einigkeit.

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Düsseldorf. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praet, hat Spekulationen auf baldige Zinserhöhungen im Euroraum nach jüngsten Aussagen seines Kollegen Ewald Nowotny gedämpft. Er könne nur die EZB-Stellungnahme im Anschluss an die jüngste Zinsentscheidung wiederholen, "die sehr klar bezüglich des Ablaufs sei und eine starke logische Basis habe", sagte Praet der Nachrichtenagentur Bloomberg.

In der EZB-Stellungnahme heißt es: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass sie (die Leitzinsen) für längere Zeit und weit über den Zeithorizont unserer Wertpapierkäufe hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden."

Zuvor hatten Aussagen des EZB-Ratsmitglieds Nowotny die Möglichkeit von Zinsanhebungen schon vor Beendigung des milliardenschweren Wertpapierkaufprogramms der Notenbank ins Gespräch gebracht. Es müsse diskutiert werden, ob sich das Modell der US-Notenbank Fed beim Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik "eins zu eins auf Europa übertragen lässt", sagte der Chef der österreichischen Notenbank in einem Interview mit dem "Handelsblatt". In den USA wurden die Zinsen erst erhöht, nachdem das Anleihekaufprogramm beendet worden war. Nowotny betonte, dass die EZB nicht alle Zinsen gleichzeitig und im selben Umfang erhöhen müsse. "Die EZB könnte auch den Einlagenzins früher erhöhen als den Leitzins", sagte er.

Unter Anlegern wurden Nowotnys Aussagen als Hinweis gedeutet, dass die EZB den sogenannten Einlagensatz erhöhen könnte, bevor sie ihr Kaufprogramm für Anleihen beendet hat. Der Einlagensatz liegt derzeit bei minus 0,4 Prozent und gibt an, wie viel Geschäftsbanken für bei der EZB geparktes Geld zahlen müssen. Das Wertpapierkaufprogramm läuft nach derzeitigem Stand noch mindestens bis Ende des Jahres.

An den Finanzmärkten waren die Reaktionen auf die Nowotny-Aussagen zunächst im Sinne einer geldpolitischen Straffung ausgefallen. Der Euro stieg gestern zwischenzeitlich bis auf 1,0782 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit mehr als fünf Wochen. dpa