Rhein-Neckar. Geplant war ein Urlaub zu zweit auf Lanzarote Anfang 2020. Doch noch vor der weltweiten Corona-Pandemie folgte die Absage. Die Pleite des britischen Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 bedeutete für den Leser des „Mannheimer Morgen“, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte, das Aus für die geplante Pauschalreise. In Bezug auf die Rückerstattung seiner Anzahlung sei er seitdem immer wieder vertröstet worden, so der 77-Jährige aus Edingen-Neckarhausen. Rund 600 Euro erhielt er vergangenes Jahr von der Insolvenzversicherung des Reisekonzerns. Auf die vom Staat versprochene Ausgleichszahlung in Höhe von 2740 Euro wartet er bis heute.
Dies ist kein Einzelfall: Nachdem die Bundesregierung im Mai 2020 ein Portal zur Verfügung stellte, auf dem geschädigte Pauschalreisende den fehlenden Anteil des Reisepreises oder ihrer Anzahlung beantragen konnten, seien 106 385 Anmeldungen eingegangen, sagt ein Sprecher des zuständigen Bundesjustizministeriums auf Anfrage. „Zum 20. April 2021 wurden davon rund 74 200 Fälle abschließend bearbeitet und entsprechende Auszahlungen von rund 103 Millionen Euro veranlasst.“ Im Umkehrschluss bedeutet das aber: Mehr als 32 000 Menschen warten aktuell noch auf ihr Geld. Laut Ministeriumssprecher soll dieses bis zum 30. Juni auf das Konto der Betroffenen eingehen. Bis dahin haben die Geschädigten wohl kaum eine andere Möglichkeit, als abzuwarten.
Hotline für Rückfragen
„Der Bund hat keine Frist genannt, bis wann das Geld ausgezahlt wird“, erklärt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Damit habe man es sich ziemlich leicht gemacht. Den betroffenen Pauschalreisenden rät er: „ Am besten immer mal wieder nachhaken, vielleicht sogar selbst eine Frist für die Rückerstattung setzen.“ Das Bundesjustizministerium hat für Fragen der Betroffenen eine Hotline unter der Rufnummer 0361/606-670 12 eingerichtet, die werktags von 8 bis 20 Uhr erreichbar ist.
Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit der Anmeldung ihrer Ansprüche auf dem Portal der Bundesregierung zumindest bis zum 15. November vergangenen Jahres begonnen haben, können diese noch bis zum 31. Mai abschließen. Fehlende Angaben oder Unterlagen seien einer der Gründe, warum einige Zahlungen bisher nicht beglichen werden konnten, erklärt der Ministeriumssprecher. Zudem könnten die Anmeldungen erst nach Festsetzung der Leistung der Insolvenzversicherung oder sonstiger Ansprüche - wie etwa der Rückerstattung des Reisepreises bei Kreditkartenzahlungen - abschließend bearbeitet werden. Denn diese greifen zuerst.
Im Fall der Thomas-Cook-Pleite ist für Pauschalreisende mit Sicherungsschein die Zurich Versicherung zuständig. „Von unserer Seite ist der Prozess komplett abgeschlossen“, berichtet ein Sprecher des Unternehmens auf Nachfrage. Da der Gesamtschaden der Insolvenz in Höhe von 287,4 Millionen Euro die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungssumme von 110 Millionen Euro deutlich überschritten hatte, war der Bund für die Restbeträge überhaupt erst eingesprungen. Ebenfalls betroffen waren und sind Buchungen über die Veranstalter Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin sowie über Thomas Cook International.
Nach einer späteren Anteilserhöhung habe die Zurich Versicherung im vergangenen Jahr jeweils 26,38 Prozent des Anspruchs an rund 170 000 Geschädigte gezahlt, sagt der Sprecher. Ein ganz anderes Verfahren kam auf Urlauber zu, die lediglich eine Einzelleistung - etwa einen Flug oder eine Unterkunft - über Thomas Cook gebucht hatten. „Sie müssen ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter anmelden und sich auf die sogenannte Insolvenztabelle schreiben lassen“, erklärt Verbraucherschützer Buttler.
Nur Bruchteil wird erstattet
Diese werden dann letztlich aus der Insolvenzmasse ausgezahlt. Bislang gingen in den noch laufenden Insolvenzverfahren der Reiseveranstalter Thomas Cook Touristik, Bucher Reisen und Öger Tours 11 800 Forderungsanmeldungen ein. Das teilt ein Sprecher der zuständigen Kanzlei HWW mit. „Allerdings steht den Verbrauchern hier sowieso nur ein Bruchteil zu“, sagt Buttler. Er rechnet mit maximal acht Prozent des eigentlichen Anspruchs. „Bei günstigen Flügen ist das den Aufwand, mehrmals beim Insolvenzverwalter anzufragen, gar nicht wert.“
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