Frankreich: Kündigung wegen 40 Cent wird für Discounter teuer

Schadenersatz für Kassiererin

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Joachim Rogge

Paris. 40 Cent soll sich Marie-Christine, die 2001 als Wurstverkäuferin bei einem französischen Discounter anfing und später an die Kasse wechselte, unberechtigterweise auf ihre eigene Kunden-Treuekarte gutgeschrieben haben. Wegen Diebstahls wurde sie gefeuert. "Ich verstehe nicht, was Sie sagen", beteuerte sie immer wieder, als ihr der Marktdirektor die fristlose Kündigung verkündete und ihr gleich auch noch Hausverbot erteilte. Bei einer internen Kontrolle war die Kassenchefin auf die Kennziffer der Rabattkarte Marie-Christines gestoßen und hatte umgehend ihren Vorgesetzten informiert.

Marie-Christines abrupter Rauswurf sorgte für allerlei Wirbel. Die Kolleginnen solidarisierten sich mit ihr. Kunden, die Marie-Christine an der Kasse oder am Fischstand, wo sie ab und an aushelfen musste, vermissten, schrieben ihr Durchhaltebriefe. Doch den Leiter des Supermarkts in der Nähe von Chartres vermochte das eben so wenig umzustimmen wie die Beteuerung von Marie-Christines Ex-Mann, er selbst habe sich den Bonus beim Einkaufen auf die Rabattkarte seiner früheren Frau gutschreiben lassen. So sehr setzte ihr der Vorwurf zu, eine Diebin zu sein, dass sie Depressionen bekam und sich als arbeitsunfähig krankschreiben ließ. Trotz allem entschied sie sich, gegen die Kündigung vorzugehen.

Arbeitgeber selbstkritisch

Ein Schritt, der sich lohnen sollte: Das Versailler Arbeits-Schiedsgericht - eine französische Besonderheit im Arbeitsrecht und paritätisch besetzt mit Laien-Richtern aus dem Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlager - verurteilte den Discounter jetzt, Marie-Christine rund 16 600 Euro Schadenersatz wegen einer Kündigung ohne sachlichen Grund zu zahlen. Weitere 1380 Euro wurden ihr wegen der demütigenden Umstände der Entlassung zugesprochen.

Das Unternehmen will das Urteil akzeptieren, auch wenn es auf einem "Fehlverhalten" der Kassiererin beharrt. Doch die Entscheidung, ihr zu kündigen, sei überhastet erfolgt, der Entscheidungsweg nicht optimal und die Sanktion überzogen gewesen, räumte die Firma selbstkritisch ein. Überdies bot die Direktion ihrer früheren Angestellten an, wieder an der Kasse zu arbeiten. Das hat Marie-Christine, die inzwischen einen neuen Job in einer Schulkantine hat, nach kurzer Bedenkzeit abgelehnt - "aus Stolz". Lediglich zum Einkaufen kehrt sie ab und zu in den Supermarkt zurück. "Ich habe mir schließlich nichts vorzuwerfen."