Mannheim. Seit Ende Februar warten die Angestellten der Brotindustrie in Baden-Württemberg auf einen neuen Tarifvertrag. Erst verzögerten sich die Verhandlungen aufgrund der Corona-Pandemie, dann, weil die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Verband deutscher Großbäckereien sich nicht einigen konnten.
Von der Stagnation betroffen ist auch die Bäckerbub GmbH und ihr Standort in Mannheim - einem von vier - mit rund 200 Mitarbeitern. Bäckerbub mit Sitz in Offenburg beliefert als Tochterfirma von Edeka Südwest hauptsächlich die K&U-Filialen der Supermarktkette. Zu den im Südwesten maßgeblichen Akteuren der Branche zählt auch der Backwarenhersteller Liecken AG. Das Bäckerhandwerk unterliegt einem gesonderten Tarif.
Die ersten Verhandlungen über einen neuen Entgelttarifvertrag Ende Juni brachten keine Lösung: Die NGG forderte eine Lohnsteigerung von 6,2 Prozent. Die Arbeitgeberseite aber gab kein Angebot ab. „Die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Wirtschaft ist nicht zuverlässig vorhersehbar“, meint Arnim Juncker, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Großbäckereien. Viele Verkehrsknotenpunkte und Ausflugsziele seien stark eingeschränkt. Verändertes Einkaufsverhalten treffe viele Backbetriebe und ihre Filialen. „Wir haben daher der NGG vorgeschlagen, die mögliche Erhöhung in den Anfang des kommenden Jahres zu verschieben“, sagt Juncker. Edeka Südwest selbst wollte keine Stellung nehmen.
Die NGG wirft der Arbeitgeberseite hingegen vor, sich hinter der Coronakrise zu verstecken. „Wir wissen, dass Bäckerbub nicht defizitär arbeitet“, meint Elwis Capece, Geschäftsführer der NGG Mannheim-Heidelberg. Man schaue auf relativ stabile ökonomische Verhältnisse in der Branche, so sein Kollege Alexander Münchow. „Der Lebensmittelhandel insgesamt, aber auch gerade bei Edeka, geht nach oben“, heißt es bei der NGG. Unabhängig von den Verkaufszahlen im ersten Halbjahr sollte man die erhöhte Belastung und das Engagement der Mitarbeiter in den Krisenmonaten honorieren. Schließlich sei die Brotindustrie systemrelevant.
Auf die ergebnislosen Verhandlungen folgten Mitte Juli Warnstreiks, auch in Mannheim. Erst danach habe die Arbeitgeberseite weitere Gespräche angeboten, heißt es bei der NGG. Aktuell suche man dafür nach einem Termin.
Der Verband deutscher Großbäckereien sieht nach wie vor keinen Grund für eine Tarifsteigerung: „Weder haben sich die Preise für Brot und Backwaren entsprechend erhöht, noch gab es ein Wachstum im Marktanteil“, sagt Juncker. Die Tarife beim konkurrierenden Bäckerhandwerk lägen rund 20 Prozent unter denen von Großbäckereien.
Es sei klar, dass man die Forderung von über sechs Prozent nicht komplett durchsetzen könne, so Münchow von der NGG abschließend. Aber man wolle ein vernünftiges Angebot: „Mit Krümeln für die Beschäftigte lassen wir uns nicht abspeisen.“