Drogen

Legalisierung: Das Milliardengeschäft mit Cannabis - auch in Südhessen?

Von 
Björn Hartmann
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Blick in eine Produktionsanlage für – seit 2017 erlaubtes – medizinisches Cannabis in Schleswig-Holstein. Der Deutsche Hanfverband schätzt, dass jährlich 200 bis 400 Tonnen Cannabis illegal in Deutschland konsumiert werden. © Christian Charisius/dpa

Berlin. Es sind nur vier Sätze im Koalitionsvertrag der Ampel. Doch sie werden einen Milliardenmarkt in Deutschland entstehen, vielmehr legal werden lassen: Cannabis soll zu Genusszwecken an Erwachsene abgegeben werden. Mit guten Geschäften rechnet vor allem Cansativa. Das hessische Unternehmen hat bereits das Großhandelsmonopol auf Cannabis aus offiziellem deutschen Anbau.

Als Medizin ist Cannabis in Deutschland seit 2017 zugelassen. Künftig will die Bundesregierung es auch für Genuss freigeben. Vorgesehen ist eine kontrollierte Abgabe durch lizenzierte Geschäfte. So will die Ampelkoalition sicherstellen, dass die Qualität stimmt, die Produkte nicht verunreinigt sind und der Jugendschutz sichergestellt ist. Ob der Stoff künftig in Apotheken zu bekommen ist oder auch in Kneipen, beim Tabakhändler und sogar im Supermarktregal, ist noch offen.

Der Markt ist riesig: Der Deutsche Hanfverband schätzt die derzeit illegal konsumierte Menge auf jährlich 200 bis 400 Tonnen, was einem Wert von ungefähr 1,2 bis 2,5 Milliarden Euro entspricht. Dagegen ist der legale Markt für Medizinalcannabis mit geschätzt 12,5 Tonnen in 2021 eher übersichtlich. Doch wer hier schon tätig ist, hat einen deutlichen Vorteil im Genussmarkt.

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So sehen es jedenfalls Benedikt und Jakob Sons, Gründer und Geschäftsführer des Cannabis-Großhändlers Cansativa. Der Jurist Jakob Sons und der Betriebswirtschaftler Benedikt Sons haben das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Vater, einem Mediziner, 2017 in Mörfelden-Walldorf nahe Frankfurt gegründet. Das Großhandelsunternehmen beliefert Ärzte und Apotheker mit Medizinalcannabis, mit Blüten, Extrakten, Medikamenten. Der Marktanteil liegt hier nach eigenen Angaben bei 20 bis 25 Prozent. Die Konkurrenz ist groß: 87 Unternehmen haben eine Importlizenz für medizinisches Cannabis.

Anfang des Jahres konnten sich die Hessen einen strategischen Großauftrag sichern: Die Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wählte Cansativa als exklusiven Großhändler für das in Deutschland legal angebaute Cannabis aus. Vier Jahre lang dürfen drei Unternehmen mit Lizenz der Cannabisagentur jährlich 2,6 Tonnen liefern, vertrieben über Cansativa. Bisher ist nur ein Unternehmen lieferfähig.

„Der Zuschlag sichert uns schon einmal einen großen Anteil am Markt für Medizinalcannabis“, sagt Benedikt Sons. „Außerdem kennen wir uns mit den Prozessen, den Regularien und den Sicherheitsbestimmungen aus. Und wir haben Zugang zu Ärzten und Apothekern.“ Alles Hürden für Firmen, die jetzt erst auf den Markt kommen. Denn auch wenn Cannabis für den Genuss legalisiert wird, dürfte es strenge Auflagen für Handel, Lagerung und Vertrieb geben, wie Benedikt Sons vermutet – ähnlich denen bei Medizinalcannabis.

Es unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz, was aufwendige Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen bedeutet. Cansativa etwa lagert Waren in einem besonders gesicherten Tresorraum mit 100 Quadratmetern Fläche. Ein zweiter mit Hochregallager wird gerade gebaut. Das Unternehmen will im Freizeitmarkt nicht nur selbst tätig werden, sondern auch Service für andere anbieten: Lager, Lieferung, alles, „damit sich unser Kunde darauf konzentrieren kann, Cannabis zu verkaufen“, sagt Benedikt Sons.

In der Anfangsphase des Unternehmens war alles noch ein paar Nummern kleiner: Jakob Sons arbeitete halbtags in einer Kanzlei und packte nachmittags Pakete. Bruder Benedikt entwickelte nachts den Businessplan. Heute beschäftigt Cansativa 20 Mitarbeiter, der Umsatz liegt im zweistelligen Millionenbereich.

Auch Finanzinvestoren haben das Unternehmen entdeckt: 2018 stieg der Risikokapitalgeber Northern Swan ein, Anfang 2021 folgte der Greenfields Global Opportunities Fund aus Kanada – und auch die regionale Sparkasse gewährte dem Unternehmen einen Kredit, für die beiden Gründer der Nachweis, „dass wir profitabel arbeiten können“.

Wie sich der Markt in Deutschland entwickeln wird, ist noch unklar. Die Nutzer hätten sich daran gewöhnt, sich in einem illegalen Markt zu bewegen, sagt Jakob Sons. Sie müssten sich erst neu orientieren. Außerdem konkurrierten standardisierte Produkte, auf die Mehrwertsteuer und vielleicht eine Cannabissteuer erhoben würden, mit billigeren Produkten auf dem Schwarzmarkt. Ein Blick nach Kanada kann die Richtung zeigen. Das Land legalisierte Cannabis 2018. „Binnen zwei Jahren sind 50 Prozent des Schwarzmarkts dort in legalen Markt gewandelt“, sagt Jakob Sons.

Eine Schwierigkeit dürfte auch das Angebot an Cannabis sein, das den staatlich festgelegten Ansprüchen genügt. Die Nachfrage im ersten Jahr sei durch die Produktion wohl kaum zu decken, sagt Benedikt Sons.

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