Corona - Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kippt 2G-Regel / Hessen und Rheinland-Pfalz planen keine Änderungen

Im Handel gilt nun wieder 3G

Von 
Christian Schall
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Schilder am Eingang eines Geschäfts weisen auf die 2G-Zugangsbeschränkung hin. Die Besitzerin eines Schreibwarenladens hat erfolgreich dagegen geklagt.

Mannheim. Nächster Dämpfer für die Corona-Politik der grün-schwarzen Landesregierung in Stuttgart: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim hat am Dienstag die 2G-Regel im Einzelhandel im Land mit sofortiger Wirkung gekippt. Damit dürfen neben Geimpften und Genesenen nun auch wieder Ungeimpfte die Geschäfte betreten, sofern sie ein aktuelles negatives Testergebnis vorlegen können. Dies betrifft alle Läden mit Sortimenten, die nicht dem täglichen Bedarf zugerechnet werden, also etwa Bekleidungsgeschäfte, Elektrofachmärkte oder Möbelhäuser.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der im Land trotz sinkender Hospitalisierungsinzidenz weiter geltenden Alarmstufe II: „Das ,Einfrieren der Alarmstufe II‘ durch die Corona-Verordnung der Landesregierung sei voraussichtlich rechtswidrig“, teilte der VGH mit. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Nach Niedersachsen, Bayern und dem Saarland ist Baden-Württemberg das vierte Bundesland, in dem die 2G-Regelung juristisch gestoppt wurde. Ob die Lockerung im Einzelhandel von langer Dauer sein wird, ist trotzdem ungewiss. Die Landesregierung in Stuttgart hatte schon vor Tagen angekündigt, in dieser Woche eine angepasste Corona-Verordnung vorlegen zu wollen.

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„Es ist nicht wirklich zu erkennen, dass Baden-Württemberg den Weg von Niedersachsen oder Bayern einschlagen würde“, sagte Swen Rubel, Geschäftsführer der Handelsverbands Nordbaden. „Daher ist es erfreulich, dass der VGH reagiert und für den Handel so entschieden hat.“ Für die Einzelhändler ändere sich indes zunächst nicht viel. „Dadurch, dass auch Ungeimpfte wieder Zugang haben, sind es potenziell 20 bis 30 Prozent mehr Kunden, die in die Läden kommen können. Wir müssen aber weiterhin den Nachweis der Kunden kontrollieren.“

IHK sieht sich bestätigt

„Von der Landesregierung muss jetzt in den nächsten Tagen Klarheit geschaffen werden“, forderte Lutz Pauels, der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Mannheim City. Die IHK Rhein-Neckar sieht sich nach dem VGH-Entscheid mit ihrer Kritik an der bisherigen Landesverordnung bestätigt: „Die kritisierte geringe Verlässlichkeit und Berechenbarkeit hat das Gericht nun ein Stück weit korrigiert“, sagte ein IHK-Sprecher. Die Kammer hatte schon am 12. Januar gefordert, dass das Land in die Alarmstufe I wechseln müsse. Damit hätten einige der stark unter den Maßnahmen leidenden Betriebe, wie auch der Einzelhandel, eine etwas bessere Perspektive erhalten.

„Dieses Urteil darf für die Landesregierung nun jedoch nicht bedeuten, dass sie die Regeln für den Einzelhandel in der Alarmstufe I im Rahmen der neuen Corona-Verordnung verschärft“, sagte Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Grundsätzliche Kritik an den Beschränkungen äußerte auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland: Die Erfahrungen aus dem durchgängig ohne Einschränkungen geöffneten Lebensmittelhandel machten mehr als deutlich, dass der Handel kein Infektionshotspot sei. Dafür sorge schon die Maskenpflicht.

Es sei nicht logisch begründbar, warum täglich 40 Millionen Kundenkontakte im Lebensmittelbereich ohne größere Auswirkungen auf das Pandemiegeschehen stattfinden könnten, während die zehn Millionen Kundenkontakte des restlichen Einzelhandels problematisiert würden. „Das entbehrt jeder Grundlage und ist erkennbarer Unsinn. Die politischen Entscheidungsträger müssen zur Vernunft zurückkehren und 2G im Einzelhandel flächendeckend für alle Handelsbranchen abschaffen.“

Im Fall, der zu dem VGH-Beschluss am Dienstag geführt hat, hatte eine Frau aus dem Ortenaukreis geklagt, die ein Geschäft für Schreibwaren betreibt. Sie monierte, dass Schreibwarenläden anders als Blumengeschäfte nicht zur Grundversorgung gerechnet werden. In Letzteren gilt trotz Alarmstufe II die 3G-Regel. Das sei eine Ungleichbehandlung.

VGH hatte sich bereits geäußert

Bereits in der vergangenen Woche hatte der VGH erklärt, dass ein Einfrieren der Alarmstufe II mit strikten Einschränkungen vor allem für Ungeimpfte teilweise rechtswidrig sei. Das Land hätte demnach längst in die normale Alarmstufe zurückgehen müssen. Im Einzelhandel wäre dann zum Beispiel statt 2G wieder 3G möglich. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte aber angekündigt, die Regeln in der Alarmstufe anpassen oder sogar verschärfen zu wollen.

In Hessen sieht Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) unterdessen keine Veranlassung, die derzeit geltende Corona-Verordnung zu ändern. Auch Rheinland-Pfalz will seinen Kurs in der Corona-Politik beibehalten. (mit dpa)

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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