Mannheim. Arbeitnehmervertreter aus der Region erwarten vom neuen ABB-Chef Björn Rosengren (60), dass er die Stärken des Schweizer Industriekonzerns deutlicher nach außen trägt. „Es muss wieder mehr um die Kunden gehen und weniger um Restrukturierungen“, sagt Mirko Geiger, Chef der IG Metall Heidelberg, dieser Zeitung. ABB stelle gute Produkte her, doch zuletzt sei vor allem über Spar- und Effizienzprogramme geredet worden. Dass Rosengren als Freund dezentraler Konzernstrukturen gilt, begrüßt Geiger. Es sei sinnvoll, wenn einzelne Geschäftseinheiten selbst entscheiden könnten. Geiger ist auch im Aufsichtsrat der deutschen Landesgesellschaft von ABB mit Sitz in Mannheim.
Großer Arbeitgeber der Region
- ABB beschäftigt in der Region Rhein-Neckar insgesamt etwa 4000 Mitarbeiter. Rund die Hälfte davon in Mannheim, wo der Sitz der deutschen ABB ist.
- In Heidelberg hat ABB ein Produktionswerk für Sicherungsautomaten (Stotz Kontakt). Hinzu kommt das Forschungszentrum in Ladenburg. Weder Heidelberg noch Ladenburg sind von dem Verkauf der Stromnetzsparte betroffen.
- Die Schweizer hatten sich schon früher aus mehreren Bereichen zurückgezogen. Dazu gehören die Verkehrstechnik (heute Bombardier), der Kabelbau (heute Südkabel) und der Kraftwerksbau (zunächst Alstom, dann General Electric).
Am Montag wurde bekannt, dass Rosengren Anfang März Nachfolger von Interims-Chef Peter Voser werden soll. Voser übernahm das Amt, nachdem sich der deutsche Manager Ulrich Spiesshofer zurückgezogen hatte. Mit Rosengren erhält ABB nach langer Zeit wieder einen schwedischen Chef: Von 1996 bis 2001 hatte Percy Barnevik die Geschäfte geführt.
Der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital, der mit fünf Prozent an ABB beteiligt ist, begrüßt die Personalie. „Wir unterstützen die Ernennung von Björn Rosengren voll und ganz. Er verfügt über die richtige Erfahrung und den richtigen Führungsstil, um die Transformation und die Strategie von ABB erfolgreich voranzutreiben“, wird Co-Gründer Lars Förberg in einer Mitteilung zitiert.
Tiefgreifender Umbau
Rosengren, der derzeit noch den schwedischen Maschinenbaukonzern Sandvik leitet, dürfte mit seinen Ansichten auf der Linie von Cevian liegen. So kündigte er die Abspaltung der Stahlsparte von Sandvik an – die Wurzel des Unternehmens. Das Geschäft sei zwar durchaus erfolgreich, aber innerhalb des Sandvik-Verbundes, in dem das Geschäft mit Schneidemaschinen weit höhere Renditen bringe, habe es nicht mehr den passenden Eigentümer. Dabei gibt es Parallelen zu ABB. Auf Drängen von Cevian verkauft der Konzern sein Herzstück, die Stromnetzsparte, an Hitachi. Der Investor ist der Ansicht, dass die Konzentration auf digitale Industrien und die Vereinfachung des Geschäfts ein „besseres Unternehmen“ schaffen. Zu ABB gehören künftig die Sparten Elektrifizierung, Automation, Robotik und Antriebstechnik. Hinzu kommt ein tiefgreifender interner Umbau: Die einzelnen Geschäftseinheiten sollen mehr Macht erhalten.
„Er geht Probleme an“
Von dem Verkauf der Stromnetzsparte an den japanischen Hitachi-Konzern sind in Mannheim rund 700 Mitarbeiter betroffen. Für sie wurde der im Sommer auslaufende Tarifsozialplan bis zum Jahr 2023 verlängert. Geplant ist, dass die Betriebe und Beschäftigten in Deutschland zum 1. November in das bereits gegründete Gemeinschaftsunternehmen ABB/Hitachi AG übergehen.
Auch Analysten versprechen sich viel von dem neuen Vorstandschef. Er könnte den stagnierenden Industriekonzern wieder in Bewegung bringen. Die Probleme blieben dieselben – aber mit Rosengren komme ein fähiger Chef, der sie angehe, schreibt zum Beispiel Andreas Willi von JP Morgan.
Während Rosengrens Amtszeit ist der Aktienkurs von Sandvik deutlich gestiegen. Ähnliches erhoffen sich Investoren nun bei ABB. Denn der Kurs kommt nicht vom Fleck – und das seit Jahren.