Gesellschaft - Studie zu Geschlechterungleichheiten in europäischen Firmen / SAP als bestes deutsches Unternehmen auf Platz zehn

Geschlechterungleichheit in Firmen - SAP als bestes deutsches Unternehmen auf Platz zehn

Von 
Miray Caliskan
Lesedauer: 
Jennifer Morgan ist Co-Vorstandssprecherin der SAP – und die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens. © Imago

Mannheim/Amsterdam. L’Oréal ist gelungen, woran sich viele Unternehmen noch immer die Zähne ausbeißen: Bei einer Studie zur Geschlechtergleichheit in 255 europäischen Unternehmen hat der französische Kosmetik-Konzern am besten abgeschnitten. Von möglichen 100 Prozent erreichte das Unternehmen in der am Mittwoch veröffentlichten Studie 73 Prozent. Auch die nachfolgenden sechs Plätze wurden allesamt von französischen Unternehmen belegt: beispielsweise dem Modekonzern Kering (68 Prozent) oder dem Pharma-Riesen Sanofi (66 Prozent). Die Autoren untersuchten die Unternehmen aus zehn europäischen Ländern auf 19 verschiedene Aspekte wie ungleiche Bezahlung zwischen den Geschlechtern (Gender Pay Gap), Frauenanteil in Führungspositionen und die Regelungen zum bezahlten Mutterschaftsurlaub.

„MINT“ in Köpfen verankern

  • Laut einem Sprecher des Softwarekonzerns SAP müsse die gängige Definition von „MINT“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) in den Köpfen der Frauen verankert und verändert werden.
  • „Frauen, die Verkaufstalente sind oder im Marketing Karriere machen möchten, denken oftmals gar nicht daran, dass auch der Vertrieb unserer Softwareprodukte ein zukunftssicheres Betätigungsfeld ist.“
  • Man müsse nicht coden können oder wollen, um bei der SAP „Traumchancen“ zu haben, man müsse lediglich „Bock auf die Materie ,Software’“ haben. 

„Wir sind davon überzeugt, dass die Gleichbehandlung der Geschlechter nicht nur ein gesellschaftliches Thema, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor ist“, sagte ein Sprecher von L’Oréal dieser Redaktion. Im Jahr 2018 waren weltweit 69 Prozent der Mitarbeiter, 47 Prozent der Mitglieder der Geschäftsleitung, 31 Prozent der Vorstandsmitglieder und 54 Prozent der Führungskräfte Frauen. Mit Wioletta Rosolowska führt eine Managerin L’Oréal in Deutschland. „Ein weiteres wichtiges Thema ist für uns die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so der Sprecher weiter. „Dazu zählen flexible Arbeitszeitregelungen für Mütter und Väter, ein unternehmenseigenes Zeitmanagement-Programm und weitere familienbezogene Services wie ein Betriebskindergarten.“

„Es fehlt an Sanktionen“

Für die von der Europäischen Kommission finanzierte Studie des Analysehauses Equileap wurden auch alle 30 Dax-Unternehmen unter die Lupe genommen. Das beste Ergebnis erzielte der Softwarekonzern SAP. Mit 63 Prozent lag das Walldorfer Unternehmen deutlich über dem Dax-Durchschnitt von 44 Prozent. Mit Blick auf die gesamte Studie belegte SAP den zehnten Rang.

„Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das zeichnet uns aus, ist bei uns kein Frauenthema und daher unser wichtiges Puzzleteil bei Geschlechtergerechtigkeit“, sagte Nina Strassner, Leiterin von Diversität und Inklusion der SAP. „Wir wissen, dass es ohne ,den anderen Teil’ oder ganz alleine nicht vorwärts geht.“ Deshalb fokussiere sich das Unternehmen neben Homeoffice und dem flexiblen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit auch auf die Bedürfnisse von Alleinerziehenden. Der Frauenanteil in der SAP-Belegschaft beträgt rund 34 Prozent, in Führungspositionen fast 27 Prozent.

Insbesondere beim Angebot flexibler Arbeitszeiten machten die Dax-Unternehmen laut Studie eine gute Figur – bei der Bezahlung herrsche aber noch Nachholbedarf. Mit etwa 21 Prozent ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen die drittgrößte in der Erhebung. „Hier haben wir eine absolute Hardliner-Strategie und achten penibel auf die Vermeidung von Lohnlücken“, sagte ein SAP-Sprecher. Vor zwei Jahren habe der Softwarekonzern eine Evaluation der Löhne vorgenommen. Nur bei 1,2 Prozent der Gesamtbelegschaft von damals 25 000 habe das Gehalt angepasst werden müssen – und das bei mehr Männern als bei Frauen. Auch bei L’Oréal sei das Prinzip „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ in den unterschiedlichen Berufsgruppen und Funktionen nahezu vollständig durchgesetzt.

Für die Berliner Finanzexpertin Henrike von Platen ist Geld der Schlüssel zur Gleichstellung: „Was wir brauchen, um die Lohnlücke zu schließen, ist vor allem mehr Entgelttransparenz.“ Das Entgelttransparenzgesetz, das 2017 in Kraft getreten ist, sei ein wichtiges Signal. „Aber es fehlt an Sanktionen für die Unternehmen, auch tatsächlich faire und neutrale Entgeltstrukturen umzusetzen.“ Hilfreich wäre außerdem mehr Parität im Privaten. „In Island beispielsweise wird die Elternzeit gleichmäßig unter beiden Elternteilen aufgeteilt. Dort müssen Unternehmen schon ab einer Größe von 25 Beschäftigten auch mit Strafen rechnen, wenn sie nicht belegen, dass alle Beschäftigten gerecht bezahlt werden.“

Das Beispiel Island zeige sehr gut, was ein klarer politischer Kurs und entsprechende Gesetze bewirken können. „Letztlich ist Lohngerechtigkeit eine Frage der Haltung und der Unternehmenskultur – und in jedem Unternehmen möglich, unabhängig von der Größe.“ (mit dpa)

Volontariat

Mehr zum Thema

Arbeitswelt Lernen zu pokern

Veröffentlicht
Kommentar von
Miray Caliskan
Mehr erfahren