Coronavirus - Im Mannheimer John-Deere-Werk arbeiteten die Beschäftigten bisher Seite an Seite – jetzt müssen sie Abstand halten

„Fabrik komplett umgestellt“

Von 
Tatjana Junker
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Alle drei Minuten läuft bei John Deere in Mannheim normalerweise ein Traktor vom Band. In Corona-Zeiten dauert es sieben Minuten. © Thomas Tröster

Mannheim. Adam Hempel drückt den Knopf auf der orangefarbenen Fernbedienung in seiner Hand – die riesige Traktorkabine schwebt langsam von der Decke und senkt sich auf das grüne Fahrgestell. „Hochzeit“ nennt sich der Bereich im Mannheimer Werk des Traktorenherstellers John Deere, in dem die beiden zentralen Bauteile verbunden werden. An Hempels Arbeitsplatz sind in der Regel fünf Mitarbeiter gleichzeitig beschäftigt. Schulter an Schulter schließen sie Elektroleitungen und Bremsschläuche an, ziehen Schrauben fest. Drei Minuten haben sie dafür normalerweise Zeit – dann fährt das Band weiter und bringt das nächste Fahrgestell.

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Doch „normal“ – das war vor Corona. „Inzwischen arbeiten wir an der Station nur noch zu dritt, um mehr Abstand zu den Kollegen halten zu können“, sagt Hempel. Weil das Team kleiner ist als sonst, übernimmt jeder Einzelne mehr Aufgaben. Hempel steuert jetzt nicht nur den Kran mit der Kabine, sondern hilft auch bei den Anschlüssen.

Band läuft deutlich langsamer

„Das geht nur, weil unsere Fachkräfte super ausgebildet sind. Jeder beherrscht vier, fünf Arbeitsplätze, die er jetzt mitbedienen kann“, sagt Werksleiter Christian Eichholtz. Weil die kleineren Teams für die Produktionsschritte mehr Zeit brauchen, hat John Deere die Taktung stark verlangsamt. „Normalerweise läuft hier alle drei Minuten ein fertiger Traktor vom Band. Jetzt liegen wir bei sieben Minuten.“

Um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, habe man die Fabrik während einer zweiwöchigen Pause Anfang April „im Prinzip komplett umgestellt.“ Das Werk stand zu diesem Zeitpunkt still, vor allem, weil Motoren für die Traktoren fehlten. Die bezieht das Mannheimer Werk von einem John-Deere-Standort in der Nähe von Orléans in Frankreich. Dort wurde wegen der Corona-Krise zeitweise aber nicht gefertigt.

„Diese Zeit haben wir für die Umstellung in Mannheim genutzt“, sagt Eichholtz. „Am Anfang hatten wir rund 100 kritische Arbeitsplätze, an denen ein Abstand von 1,50 Metern zwischen den Kollegen nicht möglich war. Jetzt sind es neun. Dort setzen wir besonders auf Masken oder einen Gesichtsschutz.“

Insgesamt 73 Projekte habe ein spezielles „Corona“-Team definiert und umgesetzt – vom kontaktlosen Fiebermessen am Werkstor bis zur Markierung von Laufwegen in der Halle. Am Ende des Tages werde zudem festgehalten, welcher Mitarbeiter mit wem Kontakt hatte – um im Falle einer Infektion schnell handeln zu können. „Dazu gibt es diese Woche eine Art Trockenübung, bei der wir simulieren, dass es vier Infizierte im Werk gibt“, sagt Eichholtz.

Vor allem hat John Deere die Produktion insgesamt entzerrt: Statt rund 1400 Mitarbeitern, die hier bisher alle gemeinsam im Ein-Schicht-Betrieb arbeiteten, sind nun immer nur 700 gleichzeitig in der Halle. Die übrigen 700 Beschäftigten sind solange in Kurzarbeit – gewechselt wird wöchentlich. Ab nächster Woche läuft dann eine zweite Schicht an, so dass die gesamte Belegschaft – zeitlich versetzt – wieder an Bord ist.

Dann sollen auch die Stückzahlen wieder steigen. Vor der Corona-Krise liefen in Mannheim täglich 150 Traktoren vom Band. An diesem Tag sind es 54. Insgesamt gehe man davon aus, dass im laufenden Jahr etwa 27 000 Traktoren in Mannheim gefertigt werden – etwa 3000 weniger als geplant, sagt Eichholtz. Die entzerrte Fertigung gehe zulasten der Produktivität. „Da reden wir über einen einstelligen Millionenbetrag“, sagt der Werksleiter. Den langsameren Takt von sieben Minuten werde man vermutlich zumindest in diesem Geschäftsjahr, also bis Ende Oktober, beibehalten.

Mittagessen am Einzeltisch

In einem der verglasten Pausenräume in der Halle verbringt Igor Sverdlov seine Mittagspause. Mit Sprudelflasche und Brotbox sitzt er an einem Einzeltisch und unterhält sich mit Kollegen, die ebenfalls separat sitzen. Maximal neun Mitarbeiter dürfen sich seit der Corona-Krise noch gemeinsam hier aufhalten. Auch die Kantine hat geschlossen. „Dort kann man sich aber Essen zum Mitnehmen holen“, sagt Sverdlov.

Um in den Pausen genügend Platz anzubieten, hat John Deere verteilt über die Halle zusätzliche Sitzmöglichkeiten geschaffen. „Die meisten Kollegen sind vor allem froh, dass wir wieder arbeiten können und aus der Kurzarbeit raus sind“, sagt Sverdlov. „An den Rest gewöhnt man sich.“

Auch Adam Hempel kommt mit den Bedingungen gut zurecht – auch wenn er noch testet, mit welcher Ausrüstung er am besten arbeitet. „Die Maske ist angenehmer, beim Gesichtsschild ist die Sicht etwas eingeschränkt“, sagt der Kfz-Mechaniker. Und an die veränderte Kommunikation müsse er sich gewöhnen. „Normal unterhält man sich, wenn man nebeneinander arbeitet. Jetzt tauscht man sicherheitshalber nur das Nötigste aus.“ Morgens hätten er und die Kollegen sich zudem immer per Handschlag begrüßt – auch das fällt Corona zum Opfer.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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