Mannheim. Der abrupte Abschied von Bilfinger-Chef Tom Blades (kleines Bild) hat Aktionärsvertreter kalt erwischt. „Das ist keine gute Nachricht“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Blades hatte sich das Vertrauen der Aktionäre mit soliden und erfolgreichen Aufräumarbeiten erarbeitet. Sein Abschied ist ein weiteres unschönes Kapitel und sorgt erneut für Unruhe und Unsicherheit.“ Wenn ein erfolgreicher Vorstandschef quasi über Nacht ein Unternehmen verlasse, sei das immer ein Alarmzeichen.
Der Mannheimer Industrieservice-Konzern hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, dass Blades sein Amt mit sofortiger Wirkung „aus persönlichen Gründen“ niederlege. „Mit fast 65 Jahren und einer intensiven beruflichen Laufbahn werde ich mich nun stärker auf meine Familie und das Privatleben konzentrieren“, wurde Blades zitiert. Sein Vertrag wäre noch bis Ende Juni gelaufen. Interimsmäßig übernimmt Finanzchefin Christina Johansson seinen Posten. Blades verlässt nicht Hals über Kopf sein Büro; er soll dem Unternehmen weiter unterstützend zur Verfügung zu stehen.
Botschaft per Video
Über die offizielle Mitteilung hinaus macht Bilfinger keine weiteren Angaben. Blades’ Rückzug scheint jedoch bei vielen Fragen aufzuwerfen, nicht nur bei der DSW. Die Aktien von Bilfinger verloren am Mittwoch rund 2,6 Prozent an Wert. Börsianer sprechen von Unsicherheit unter den Anlegern, die es nun bevorzugten, Kasse zu machen. Der Abschied von Blades komme unerwartet und könne einige Fragen zu den Aussichten für das Geschäft des Industriedienstleisters aufwerfen, schreibt Analyst Gregor Kuglitsch von der Schweizer Großbank UBS.
Zuletzt haben die Papiere deutlich von Übernahmefantasien profitiert. Es hieß, Finanzinvestoren hätten ein Auge auf Bilfinger geworfen. Seit Ende Oktober hat sich der Aktienkurs so gut wie verdoppelt. Einige Marktbeobachter werten das als Kompliment für Blades: Er habe den Mannheimer Konzern wieder attraktiv für Investoren gemacht.
Kurz vor Weihnachten hat Blades nach Informationen dieser Redaktion eine Videobotschaft an die Belegschaft gerichtet und darin Verkaufsgerüchten eine Absage erteilt. Unter Mitarbeitern soll sich Freude verbreitet haben, weil Bilfinger nach schwierigen und unruhigen Jahren eine feste Strategie vorweise und ausreichende Mittel durch den Verkauf von Apleona besitze.
Der Immobiliendienstleister Apleona aus Neu-Isenburg war im Jahr 2016 entstanden. Damals kaufte der schwedische Finanzinvestor EQT das Segment „Building and Facility“ von Bilfinger. Nach der Übernahme benannte EQT das Segment in Apleona um. Mittlerweile hat der Finanzinvestor Apleona für 1,6 Milliarden Euro an das Private-Equity-Haus PAI Partners weitergereicht. Durch eine Beteiligungsklausel profitiert auch Bilfinger – der Erlös soll bis zu 470 Millionen Euro betragen.
Umfangreiches Kontrollsystem
Blades hatte den Vorstandsposten 2016 von Per Utnegaard übernommen und nach dem Verkauf des Bau- und Immobilienservices den Umbau des Konzerns eingeleitet, um ihn aus der Krise zu führen. Übrig blieb das Servicegeschäft mit Industriekunden, für die Bilfinger unter anderem Anlagen wartet. Zudem hatte sich der Konzern von Verlustbringern getrennt.
Blades führte ein umfangreiches Compliance- und Kontrollsystem ein, da Bilfinger bis Ende 2018 unter anderem wegen eines Korruptionsfalls seiner ehemaligen Tochter Julius Berger in Nigeria unter Beobachtung des US-Justizministeriums stand. Tatsächlich schaffte es Blades, Ruhe hineinzubringen, nachdem sich in den vergangenen Jahren auch mehrere Vorstandsvorsitzende die Klinke in die Hand gegeben hatten. Der Bilfinger-Aufsichtsrat befasst sich mit der langfristigen Nachfolge von Blades und will darüber nach eigenen Angaben „in den kommenden Monaten“ entscheiden. Aktuell besteht der Vorstand aus Johansson und Duncan Hall, der das operative Geschäft verantwortet.