Das Wichtigste in Kürze
- Der Ökonom Eckhard Janeba kritisiert die Rentenpläne der Bundesregierung in Mannheim.
- Er fordert, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln.
- Die abschlagfreie Rente soll abgeschafft werden, um die junge Generation zu entlasten.
Mannheim. Herr Janeba, ist die Rente frei nach Norbert Blüm nur noch für die Alten sicher?
Eckhard Janeba: Das haben Sie jetzt arg zugespitzt. Natürlich gerät unser Rentensystem durch die Alterung der Menschen unter Druck, deshalb besteht Reformbedarf. Aber ich warne vor Panikmache, die Rentenversicherung existiert seit mehr als 100 Jahren. Und im Prinzip hat sich das Umlageverfahren bewährt.
Klingt ziemlich optimistisch, ändert aber nichts daran, dass immer weniger Arbeitnehmer die Rentner über ihre Beiträge versorgen müssen. Das Rentenpaket der Bundesregierung lastet vor allem auf den Schultern der jungen Menschen.
Janeba: Ich bestreite gar nicht, dass die Last der jungen Generation dadurch größer wird. Deshalb ist der Ansatz der Bundesregierung richtig, mehr Anreize für ältere Arbeitnehmer zu setzen. Beispiel Aktivrente. Sie soll Rentner länger im Arbeitsmarkt halten. Allerdings dürfte die Wirkung begrenzt sein. Das DIW schätzt, dass bis zu 230.000 Rentner die Aktivrente in Anspruch nehmen werden, aber darunter gibt es viele, die auch ohne die Aktivrente gearbeitet hätten.
Es dürfte bei jungen Menschen nicht gut ankommen, dass Rentner ab nächstes Jahr 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen dürfen.
Janeba: Das kann man als unfair ansehen, aber andererseits kann die Aktivrente ja auch einen positiven Wachstumseffekt auslösen und dieser würde das Rentensystem entlasten. Dennoch glaube ich, dass die Politik zusätzlich an anderen Stellschrauben drehen müsste.
An welchen denn?
Janeba: Ich denke da an die geltende Regelung, die es Beschäftigten mit 45 Beitragsjahren erlaubt, ohne Abschläge vor Erreichen der Regelalterszeit in den Ruhestand zu gehen. Ihre Zahl ist stark gestiegen und liegt 2023 bei über 270.000 Personen. Die Bundesregierung sollte diese Regelung wieder abschaffen.
Ursprünglich sollte das Arbeitnehmern wie den Dachdeckern zugutekommen, die sich den Rücken kaputt gemacht haben.
Janeba: Ja, das war das Argument der SPD, die meinte, dass es für Beschäftigte, die schwere körperliche Arbeiten verrichten müssen, eine Ausnahme geben muss. Inzwischen wissen wir aber, dass die Rente ohne Abschläge vor allem Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen und relativ guter Gesundheit nutzen. Die Regelung hat ihre Zielsetzung verfehlt. Gleichzeitig sollte man aber darüber nachdenken, wie man Beschäftigten entgegenkommt, die tatsächlich höhere physische oder psychische Belastungen in ihrem Berufsleben erfahren haben und nicht Erwerbsminderungsrente beziehen.
Es gibt auch den Vorschlag, dass man im Rentensystem eine Umverteilung in geringem Umfang vornehmen soll. Vereinfacht würden dann Ruheständler mit eher hohen Renten ein bisschen weniger, und diejenigen mit geringen Renten mehr bekommen.
Janeba: In der Rentenversicherung herrscht das Äquivalenzprinzip …
… wer mehr und länger einzahlt, erhält eine höhere Rente …
Janeba: … genau. Ich habe aber dennoch eine gewisse Sympathie für das Argument, weil Personen mit niedrigem Einkommen häufig auch eine kürzere Lebenserwartung haben. Deshalb könnte man rechtfertigen, dass die Rentenansprüche von Personen mit niedrigem Einkommen höher bewertet werden.
Wie wirkt sich denn das Rentenpaket der Bundesregierung auf die heute 30-Jährigen aus?
Janeba: Da hängt natürlich davon ab, auf welche Reformschritte die Bundesregierung noch beschließt. Klar ist, dass die Beitragsätze stark von gegenwärtig 18,6 auf 23 Prozent in den 2030er Jahren steigen würde, wenn das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent liegen soll. Zu erwarten sind zudem steigende Beitragssätze für die Kranken- und Pflegeversicherung. Das alles würde die Arbeit in Deutschland unattraktiver und teurer machen. Zudem würden die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt steigen, das Geld würde dann an anderer Stelle fehlen.
In der Schweiz zahlen alle in die Rentenversicherung ein und es gibt auch keine Beitragsbemessungsgrenzen, dadurch werden die Rentenkassen voller.
Janeba: Im Umkehrschluss wachsen damit aber auch die Rentenansprüche. Wer viel verdient, hätte dann auch eine höhere Rente. Das würde das Rentensystem nicht dauerhaft stabilisieren.
Leider hat sich auch die ursprüngliche Idee der Aktienrente nicht durchgesetzt.
Janeba: Aber es soll die Frühstartrente eingeführt werden. Ab 2026 ist vorgesehen, dass Kinder ab dem sechsten Lebensjahr monatlich zehn Euro vom Staat erhalten. Dieser Betrag soll in einem individuellen Altersvorsorge-Depot angelegt werden und kann erst mit dem Renteneintritt verwendet werden. Dies wäre eine Ergänzung zum Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Ehrlichkeit halber muss man aber zugeben, dass es lange dauern würde, bis das System zur vollen Entfaltung kommt.
Eckhard Janeba
- Eckhard Janeba (Jahrgang 1965) wurde in Bremen geboren. Seit 2004 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim . Seine Schwerpunkte sind Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik.
- Janeba ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Das Expertengremium hat 40 Mitglieder.was
Früher haben viele Arbeitnehmer mit 14 eine Lehre angefangen, viele Jahre Beiträge gezahlt, zwei Jahre Rente bekommen und sind dann gestorben.
Janeba: Das ist eben der Knackpunkt. Wir werden älter als die früheren Generationen, damit verlängert sich die Rentenbezugsdauer. Und weil die Geburtenrate seit Jahrzehnten so niedrig ist, sinkt nun mit dem Renteneintritt der Babyboomer die Zahl der Köpfe, die in die Rentenkasse einzahlen.
Die Antwort auf dieses Problem drängt sich geradezu auf.
Janeba: Wir müssen das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. Das ist der richtige Weg, den andere Länder wie Dänemark oder die Niederlande bereits gemacht haben.
Kanzler Friedrich Merz ist jetzt 70, er denkt aber nicht ans Aufhören. Als Sie vor ein paar Jahren die Rente mit 70 gefordert haben, ernteten Sie einen Shitstorm.
Janeba: Dabei habe ich nie gefordert, dass das auf einen Schlag erfolgen soll. Das normale Renteneintrittsalter erhöht sich ab dem Jahrgang 1964 auf 67 Jahre. Man könnte es dann in den 2040er Jahren auf 68 Jahre anheben.
Die Gegner behaupten, dass das im Prinzip auf eine Rentenkürzung herauslaufen würde, weil die meisten nicht so lange durchhalten würden.
Janeba: Wir sollten aber deshalb nicht ein System haben, das auch für Personen ohne Einschränkung ein konstantes Renteneintrittsalter vorsieht, wenn gleichzeitig die Lebenserwartung steigt. Im Übrigen zeigt die Vergangenheit, dass mit der Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auch das tatsächliche Renteneintrittsalter steigt. 2023 lag es im Durchschnitt bei 64,4 Jahren. Die Leute arbeiten heute länger als früher, auch weil sie im Durchschnitt gesünder sind.
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