Energie - MVV lässt Anlage bauen, um klimaneutral Fernwärme zu erzeugen / Eines von bundesweit fünf Pilotprojekten / Technologie in Deutschland bisher kaum genutzt

Flüsse könnten Wärme für 50 000 Haushalte liefern

Von 
Martin Geiger
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Spatenstich für die Energiewende: MVV-Vorstand Hansjörg Roll (v.l.), Ministerin Thekla Walker, Oberbürgermeister Peter Kurz und GKM-Vorstand Holger Becker. © MVV

Mannheim. Eine Landesministerin, der Oberbürgermeister, zahlreiche Unternehmensvorstände, Bürgermeister und ein großes Festzelt mitten auf dem Gelände des Grosskraftwerks Mannheim (GKM): Schon die Umstände verdeutlichen die Bedeutung der Anlage, mit deren Bau am Montag offiziell begonnen wurde. Im Rahmen eines von bundesweit fünf Pilotprojekten soll bis Herbst nächsten Jahres im GKM eine Flusswärmepumpe errichtet werden. Dafür investiert die MVV Energie rund neun Millionen Euro, weitere knapp sechs Millionen schießt der Bund zu.

Die Anlage wird dem Rhein Wärme entziehen und sie in das Fernwärmenetz einspeisen. Umgerechnet können damit rund 3500 Haushalte versorgt werden – und das klimaneutral. Entsprechend vergaß keiner der Rednerinnen und Redner von einem „Leuchtturm“, einem „Meilenstein“ oder einem „sehr, sehr wichtigen Tag“ zu sprechen.

© MM-Grafik

„Energiewende vorantreiben“

Das Modellprojekt ist ein Teil der Maßnahmen, mit denen die MVV die Fernwärme bis 2030 mit Technologien erzeugen will, die als klimaneutral eingestuft werden. Zurzeit wird der Großteil noch vom GKM, Deutschlands größtem Steinkohlekraftwerk, produziert. Da der Kohleausstieg jedoch beschlossen ist und Mannheim bis 2030 und die MVV bis 2040 klimaneutral werden wollen, müssen die rund 165 000 an das Netz angeschlossenen Haushalte in der Rhein-Neckar-Region künftig mit Alternativen versorgt werden.

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Darum existieren die Pläne für die Flusswärmepumpe auch schon länger. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus resultierende Debatte über die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Rohstoffen aus Russland rücken sie jedoch noch mal in ein anderes Licht. Entsprechend betonte die baden-württembergische Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker (Grüne): „Vor dem Hintergrund desen, was wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, müssen wir die Energiewende noch schneller vorantreiben.“

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Das Pilotprojekt mit der 20 Megawatt Wärme erzeugenden Pumpe könnte erst der Anfang eines größeren Ausbaus sein: Theoretisch ließen sich mit dieser Technologie an Rhein und Neckar sogar 500 Megawatt Wärme erzeugen, sagte Walker. Das entspräche ungefähr der Wärmeleistung des GKM-Blocks 9 – oder dem Bedarf von rund 50 000 Haushalten. Entsprechend fordern Klimaschützer schon länger einen deutlich stärkeren Einsatz dieses Instruments. In Deutschland wird es bislang, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, noch kaum genutzt – vor allen Dingen, weil die hohen Stromkosten den Betrieb bisher unwirtschaftlich machen.

„Keine Auswirkungen auf Rhein“

Auch Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), Aufsichtsratsvorsitzender der MVV, sagte: „Das Projekt ist skalierbar. Und wir wollen es skalieren.“ MVV-Technikvorstand Hansjörg Roll erklärte, dass darüber allerdings erst entschieden werde, wenn die Messergebnisse vorliegen, auf deren Basis beschlossen wird, ob, wo und in welchem Ausmaß Geothermie zur Fernwärmeproduktion genutzt werden kann. Über mögliche Standorte für eine Erdwärme-Anlage wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte dieses Jahres diskutiert.

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Auf die Lebewesen im Rhein soll die Flusswärmepumpe keinen Einfluss haben, betonten die Verantwortlichen. Das Wasser werde je nach Jahreszeit um zwei bis fünf Grad abgekühlt: Das gleiche die Erwärmung durch andere industrielle Nutzungen des Flusses sogar aus. Auch die Auswirkungen auf das GKM sind überschaubar: Durch die Anlage entstehen ein bis zwei Arbeitsplätze.

Einige hundert Meter weiter baut die MVV übrigens eine weitere Anlage, die für den Umbau der Fernwärmeversorgung nötig ist. Ein mit Erdgas betriebenes Heizwerk soll ab Anfang 2023 in Spitzenzeiten und Notfällen Wärme liefern. Baubeginn war im Sommer vergangenen Jahres – ohne Festzelt und Politprominenz.

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