Rom. Die Ausgangslage ist klar: England muss, die Ukraine kann. Nach dem historischen Sieg gegen Deutschland soll das Viertelfinale bei der Fußball-Europameisterschaft für die Three Lions am Samstag (21 Uhr/ARD) nur eine Durchgangsstation sein. Erst in Rom die ukrainischen Außenseiter schlagen, dann im Halbfinale gegen Dänemark oder Tschechien vor 60 000 Fans im heimischen Wembley-Tempel den Einzug ins Endspiel feiern – eine ganze Nation träumt bereits von der finalen Krönung in London am 11. Juli. Zumindest fast eine ganze Nation. Denn dem Trainer gefällt die Erwartungshaltung seiner Landsleute nur bedingt.
Obwohl die Chance auf das Finale angesichts der Turnierkonstellation wohl so groß wie vielleicht nie zuvor ist, spricht Gareth Southgate eine Warnung aus. „Es gibt die Wahrnehmung, dass wir nur antreten müssen und schon sind wir auf dem Weg. Aber wir müssen das Spiel auf die richtige Art und Weise vorbereiten. Unsere Mentalität wird enorm wichtig sein“, sagte der 50-Jährige vor dem Duell mit den Ukrainern. „Die Nachrichten und Glückwünsche nach dem Deutschland-Spiel waren großartig. Aber sie sind auch gefährlich, weil sie dir den Fokus nehmen können. Und wir brauchen diesen Fokus, um die Leistung abliefern zu können, die wir gegen Deutschland abgeliefert haben.“
Southgates Kernbotschaft: Die Fans dürfen ruhig träumen, seine Mannschaft nicht. Der Ex-Profi will unbedingt verhindern, dass er und seine Spieler letztlich als Deppen dastehen. Bei der EM 2016 arbeitete Southgate zwar noch nicht als Trainer der Three Lions, aber der peinliche Achtelfinal-K.o. gegen Island (1:2) ist ihm natürlich noch in Erinnerung. Zwei Jahre später verpasste er bei seinem ersten großen Turnier als Nationalcoach knapp das WM-Endspiel, weil er mit den Engländern im Halbfinale nach Verlängerung gegen Kroatien ausschied. Diesmal will Southgate den Weg mit aller Macht zu Ende gehen. Dass seine Mannschaft gegen die Ukraine erstmals bei diesem Turnier nicht zu Hause antreten darf, sieht er sogar positiv. „Ich habe den Spielern gesagt, dass das jetzt eine fantastische Herausforderung für uns ist. Wir müssen raus aus Wembley, das Wetter wird wahrscheinlich heiß und kaum ein England-Fan im Stadion sein“, sagte der Coach. Während beim 2:0 gegen die DFB-Auswahl über 40 000 fast ausschließlich englische Fans eine riesige Party gefeiert hatten, müssen die Three Lions im Olympiastadion in Rom auf die lautstarke Unterstützung ihrer Anhänger verzichten. Die UEFA stoppte den Ticketverkauf für Menschen aus Großbritannien, diese hätten bei ihrer Einreise nach Italien ohnehin für fünf Tage in Quarantäne gemusst.
Trotzdem geht England als klarer Favorit ins Spiel. Eigentlich ist also alles klar, oder? Nein, findet Kapitän Harry Kane. Er forderte, erneut eine Leistung wie gegen Deutschland abzurufen, „um dann wieder nach Wembley kommen“ zu können. Vor 55 Jahren hatten die Engländer im alten Wembley-Stadion bei der Heim-WM ihren einzigen Titel geholt. In diesem Jahr soll es endlich der zweite werden.