London. Tabea Waßmuth muss ein bisschen schmunzeln, wenn sie darauf angesprochen wird, dass sie wohl bald als „Frau Doktor“ angesprochen werden kann. In erster Linie definiert sich die 25-Jährige noch als Fußballerin, die beim VfL Wolfsburg zu den Leistungsträgerinnen und verdientermaßen zum deutschen EM-Kader gehört. Aber parallel arbeitet die Offensivspielerin nach ihrem Masterabschluss im Fachbereich Neuropsychologie an der Universitätsmedizin Mannheim auch an ihrer Promotion und beschäftigt sich mit Studien zu Schlaganfallpatienten. Sie hat an der Schnittstelle zwischen Medizin und Psychologie auch bereits ein Praktikum absolviert. „Später würde ich gerne in diesem Bereich arbeiten“, sagt Waßmuth.
Bemerkenswert: 15 Nationalspielerinnen haben ein Studium angefangen oder abgeschlossen. Einen akademischen Bildungsgrad zu erlangen, ist die Regel – und nicht die Ausnahme. Linda Dallmann und Giulia Gwinn studieren Sportwissenschaften, Sara Däbritz Wirtschaftspsychologie, Klara Bühl Medienmanagement, Lina Magull Sportmarketing und Svenja Huth hat ein Sportmanagement-Zertifikat abgeschlossen.
Erster Trainerschein als Spielerin
Auch für Laura Freigang gehört der Gang an die Frankfurter Goethe-Universität zum Alltag. Sie hatte bereits mit 18 Jahren mit einem Sportstipendium an der Pennsylvania State University in den USA studiert. „Ich gehe mit mehr Elan ins Training, wenn ich nicht den ganzen Tag vorher an Fußball gedacht habe“, sagt die 24-Jährige.
Lea Schüller hat sich für ein Fernstudium im Wirtschaftsingenieurwesen entschieden. „Für mich wäre das gar nichts, einfach nur Fußball zu spielen und danach zu Hause rumzuhängen“, sagt die 24-Jährige. Die Stürmerin kann sich später einen Job im Automobil- oder Architekturbereich vorstellen. „Ich weiß nur nicht, wie es ist, erst mit 30 oder 35 in die Berufswelt einzusteigen.“ Aber immerhin hat sie einen Plan für die Zeit danach.
Fast jede im DFB-Kader baut sich bereits jetzt ein zweites Standbein auf. Vermehrt kommt auch der Wunsch auf, nach der Karriere als Trainerin zu arbeiten. Marina Hegering wechselte auch deshalb zum VfL Wolfsburg, weil der 32-Jährigen in ein oder zwei Jahren eine Stelle im Trainerstab zugesichert worden ist. Die Abwehrchefin gehört zu dem Dutzend Nationalspielerinnen, die den ersten Trainerschein, die sogenannte „B-plus“-Lizenz, gemacht haben. Dafür opferten Alexandra Popp, die lange als ausgebildete Tierpflegerin gearbeitet hat, und viele Mitspielerinnen sogar Teile ihres Urlaubs.
„Ich kenne nicht viele Männer, die während ihrer Karriere schon eine Trainerausbildung machen“, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die 54-Jährige spricht gerne von „tollen Persönlichkeiten“, weil sie um die Doppelbelastung weiß. „Dass viele Spielerinnen studieren, liegt aber auch daran, dass sie die duale Karriere noch immer brauchen. Sie können es sich schlicht nicht leisten, erst nach der Fußballkarriere zu schauen, wie es weitergeht. So viel Geld werden sie nicht verdient haben.“ Mögen die besten Nationalspielerinnen in den Topclubs mittlerweile auch fünfstellige Monatsgehälter kassieren, so bleiben die Millionengagen der Männer auf lange Sicht Utopie.
Abitur mit der Traumnote 1,0
Dass bei den DFB-Frauen klügere Köpfe als bei den Männern spielen, will Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter aller Nationalmannschaften unter dem Dach des DFB, pauschal nicht bestätigen: „Ich möchte nicht unterscheiden, ob unsere Frauen oder Männer besser oder klüger sind. Wir haben in beiden Mannschaften besondere Persönlichkeiten, die für die Gesellschaft Vorbild sein können.“
Eine ist beim Frauen-Nationalteam definitiv Lena Lattwein. Voss-Tecklenburg bekommt leuchtende Augen, wenn sie den Reifegrad der 22-Jährigen beschreibt. Nach ihrem 1,0-Abitur belegte die Mittelfeldspielerin Online-Kurse, um an der Uni Mannheim ihren Master in Wirtschaftsmathematik zu machen.
Lattwein kann aber nicht nur gut rechnen, sondern auch druckreif reden. Und sie war so selbstbewusst, in der Equal-Pay-Debatte indirekt dem Tweet von Bundeskanzler Olaf Scholz zu widersprechen: „Es ist immer einfach, so was zu sagen, ohne die Einblicke zu haben, wie Bezahlungen zustande kommen. Das Thema ist sehr komplex.“ Hörte sich fast so an, als könne sie es Scholz sofort erklären.