Mannheim. Anfang Januar hatte Andy Schmid bislang immer genügend Zeit, um die Akkus wieder ordentlich aufzuladen, doch der Start ins neue Handball-Jahr 2020 gestaltete sich für den Spielmacher der Rhein-Neckar Löwen nun gänzlich anders. Erstmals seit 2006 hatte sich die Schweiz wieder für die Endrunde eines großen Turniers qualifiziert und Schmid trug sich bei der Europameisterschaft in Schweden, Norwegen und Österreich als Anführer der Eidgenossen gleich in die EM-Rekordliste ein: Beim 31:24 der Schweiz gegen Polen erzielte der 36-Jährige stolze 15 Treffer im Alleingang, nur der Norweger Kjetil Strand war 2006 mit 19 Toren in dieser Statistik besser. Kein Wunder, dass Schmid die EM-Teilnahme entsprechend gut in Erinnerung hat.
„Das war eine super Erfahrung und durchweg positiv“, blickt Schmid auf die drei Vorrundenspiele in Gruppe F zurück. Zwar war für die Schweizer als Dritter hinter Slowenien und Schweden nach der Vorrunde erwartungsgemäß Schluss, doch für die Weiterentwicklung des Handballs in der Alpenrepublik sei der EM-Auftritt durchaus wertvoll gewesen. „So viel wurde bei uns schon lange nicht mehr über Handball berichtet. Das war ein erster Schritt, jetzt gilt es dranzubleiben“, sagt Schmid, der sogar Lust auf mehr bekommen hat. „2022 bietet sich vielleicht nochmals die Gelegenheit“, meint der Routinier. Dann wäre der Rechtshänder zwar schon 38 Jahre, doch sein Löwen-Teamkollege Alexander Petersson hat ja gerade vorgemacht, dass man selbst mit 39 noch ein solches Turnier auf hohem Niveau spielen kann.
Schlag auf Schlag
Dass ihm aufgrund der EM-Teilnahme ein paar Körner für die Fortsetzung der Bundesliga-Saison am Donnerstag gegen die MT Melsungen (19 Uhr/SAP Arena) fehlen könnten, glaubt Schmid nicht. „Inklusive der Vorbereitung waren das sechs Spiele. Da war schon noch Luft“, berichtet der Löwen-Regisseur, der seit dem vergangenen Mittwoch wieder im Mannschaftstraining ist. Zwei Tage später stießen dann auch die Löwen-Profis zur Mannschaft, die bei der EM noch die Hauptrunde gespielt hatten.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte das 18-tägige Turnier endgültig Geschichte gewesen sein, schließlich erwartet die Löwen mit der Heimpartie gegen die Nordhessen und dem Auftakt in die Gruppenphase des EHF-Cups am Sonntag gegen Nimes (17 Uhr/GBG Halle) ein ebenso anspruchsvoller wie richtungsweisender Doppelpack.
„Es geht jetzt Schlag auf Schlag, nach drei bis vier Wochen wird sich schon zeigen, wohin der Weg geht“, sieht Schmid in der nun erhöhten Taktung auch eine Chance, spricht aber zugleich von „einem Kaltstart ins Ungewisse. Keiner weiß genau wo, er steht“, meint der Löwen-Regisseur, den vor dem Auftakt die gleichen Gedanken umtreiben wie zum Ende der ersten Saisonhälfte. „Wir waren zuletzt immer unter den ersten zwei. Wenn da jetzt Platz sechs steht, ist klar, dass alle unzufrieden sind“, betont der Schweizer.
Brisantes Duell
Zwar ist Primus Kiel nur vier Minuspunkte entfernt und so eng ging es im führenden Sextett der Tabelle schon lange nicht mehr zu, aber wenn die Badener nicht bald die entsprechende Konstanz auf die Platte bekommen, dürfte auch diese weiterhin mehr als passable Ausgangssituation keine Hilfe sein.
„Die Diskrepanz zwischen der Qualität der Mannschaft und dem, was wir abgerufen haben, war in der Hinrunde einfach zu groß. Das müssen wir endlich abstellen und zu unserer Stabilität finden“, fordert der Spielmacher und schließt sich dabei ein. „Da steht jeder in der Verantwortung, jeder Spieler und alle Verantwortlichen. Handball ist zwar ein Mannschaftssport, aber die Einzelnen sind selbst dafür verantwortlich, dass auch der Teamerfolg zustande kommt“, meint Schmid. „Und wenn der Erfolg da ist, fällt vieles leichter. In drei Monaten wissen wir dann spätestens, ob das eine gute oder schlechte Saison ist.“
Diese Sichtweise ließe sich bestimmt auch auf die Situation des ersten Löwen-Gegners übertragen. Schließlich investiert Melsungen Jahr für Jahr mächtig in Spieler und Strukturen, hängt als Siebter aber irgendwie wieder mal zwischen echter Spitze und Mittelfeld. „Von den Namen muss diese Mannschaft gefühlt eigentlich immer um Platz eins bis drei spielen“, charakterisiert Schmid die Roten aus Nordhessen und weiß, dass die Mannschaft um Trainer Heiko Grimm an einem guten Tag jedes Team schlagen kann – so wie im Hinspiel beim 31:26 gegen die Löwen in Kassel. Ausreden gibt es deshalb aber keine. „Zu Hause müssen wir die Punkte holen. Das muss einfach unser Anspruch sein“, sagt Schmid.