Doha. Murat Yakin hat am Donnerstag die in fünf Sprachen übersetzte Pressekonferenz im Qatar National Convention Center (QNCC) genutzt, um mal zu erklären, warum er gerne Trainer geworden ist. Der Schweizer Nationalcoach erzählte von seiner Vorliebe für alle Art von Ball- und Brettspielen. „Dem Gegner drei, vier Schritte voraus zu sein – das ist es“, sagte der 48-Jährige. Nun gehört vor dem entscheidenden Gruppenspiel der Schweiz gegen Serbien am Freitag (20 Uhr/ZDF) zur Strategie, störende Einflüsse so gut es irgendwie geht, von seiner Mannschaft fernzuhalten. „Die Spieler werden sich voller Respekt begegnen. Sie werden sich sportlich bekämpfen. Alles andere blenden wir aus.“
Was einfacher gesagt als getan ist: Die wegweisende Paarung – der Verlierer tritt die Heimreise an – hat eine skandalöse Vorgeschichte. Bei der WM 2018 formten die früheren Bundesligaspieler Granit Xhaka Borussia Mönchengladbach) und Xherdan Shaqiri (FC Bayern München) beim Jubel über den späten Schweizer Siegtreffer einen albanischen Doppeladler: ein Hinweis auf ihre familiären Wurzeln im Kosovo – aber auch eine Provokation in Richtung Serbien, das den Kosovo nicht anerkennt. Die Verwerfungen reichten bald weit über den Fußball hinaus. Es ging um Integration, um Werte – und führte sogar dazu, dass die Schweiz über die doppelte Staatsbürgerschaft diskutierte.
„Es geht um Respekt“
Als die Lose für diese WM-Endrunde gezogen wurden, wussten beide Verbände zunächst nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. Die Fußball-Präsidenten trafen sich zu einem Friedensgipfel und der für die Schweizer „Nati“ zuständige Direktor Pierluigi Tami versicherte: „Es soll weder Worte noch Gesten noch allgemein ein Verhalten geben, das andere Sensibilitäten berührt.“ Yakin führte jetzt noch an: „Wir freuen uns auf Fußball – und da geht es um Respekt.“
Auch Xhaka, dessen Vater einst von der jugoslawischen Polizei in Pristina wegen „Auflehnung gegen den Staat“ ins Gefängnis geworfen wurde und nach der Freilassung in die Schweiz flüchtete, gab nach dem Spiel gegen Brasilien (0:1) zu Protokoll: „Wir sind professionell genug, dass wir uns auf Fußball konzentrieren.“ Der 30-Jährige schob grinsend nach: „Hoffentlich!“ So konnte es ja der Kapitän nicht lassen, über seine Social-Media-Kanäle am Montag Glückwunsche zum Nationalfeiertag in Albanien zu versenden. Derweil hat die Fifa Ermittlungen gegen Serbiens Fußball-Verband eingeleitet, weil in der Kabine eine Fahne auftauchte, in der das Territorium des Kosovo vereinnahmt ist. Wer aber hat sie aufgehängt?
Pressesprecher geht dazwischen
Der serbische Nationaltrainer, der frühere Weltklassespieler Dragan Stojkovic, der mit seinem angriffslustigen Team zuletzt gegen Kamerun (3:3) kein Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive hinbekam, musste bei seinem Medientermin keine politischen Fragen beantworten, da sein Pressesprecher dazwischen grätschte. Zu erwarten ist, dass Xhaka und Shaqiri von den serbischen Fans im Stadion mit einem gnadenlosen Pfeifkonzert belegt werden.
Shaqiri machte zuletzt zwar eine Erkältung zu schaffen, aber der 31-Jährige vom US-Club Chicago Fire will die aufgeladene Paarung nicht verpassen.