Mannheim. Der strenge Frost hat sich gerade erst verabschiedet, aber Jochen Kientz denkt schon an den nächsten Sommer. Der Sportliche Leiter des Fußball-Drittligisten SV Waldhof schaut jede Menge Spiele an – coronabedingt meistens am Fernsehen und nicht wie sonst live – und macht sich seine Gedanken, mit welchen Spielern und auf welchen Positionen sich die Mannheimer weiter verstärken könnten. Und wie er auf Abgänge von Leistungsträgern reagieren kann – denn die wird es wieder geben, da macht sich Kientz keine Illusionen.
„Wir sind aktuell Drittligist und auch im nächsten Sommer werden uns Spieler verlassen. Da wird es wieder einen Umbruch geben. Wenn man junge und gute Spieler hat, ist das einfach so. Das werden wir auch mit Geld nicht aufhalten können“, sagt der Manager. Die Hoffnung der Fans, nach der großen Personalrochade vor dieser Saison diesmal mit einer komplett gewachsenen Mannschaft an den Start gehen können, wird der Sportchef also wahrscheinlich enttäuschen müssen. „Dass jeder seinen nächsten Schritt gehen möchte, ist ganz normal. Da dürfen wir nicht im Weg stehen, wir müssen es aber auch kompensieren.“
Bundesliga-Angebot für Schuster
Im vergangenen Sommer habe es insgesamt fünf konkrete Anfragen aus der 2. Liga und dem Ausland für Waldhof-Profis gegeben. Unterschiedsspieler wie Olympia-Silbermedaillengewinner Max Christiansen (24), dessen Vertrag der Club nach Informationen dieser Redaktion bei 25 Einsätzen per Option verlängern kann (bisher 16 Spiele), Mittelfeld-Abräumer Marco Schuster (25) oder Rechtsverteidiger Jan-Hendrik Marx (25) dürften weiterhin bei höherklassigen oder zahlungskräftigeren Vereinen weit oben auf dem Zettel stehen.
Schuster hatte vor dieser Saison laut gut informierten Quellen aus dem Waldhof-Umfeld sogar das Angebot eines Bundesliga-Aufsteigers auf dem Tisch. Das begehrteste Pferd im SVW-Stall ist jedoch Innenverteidiger-Hoffnung Gerrit Gohlke (21), der im vergangenen Sommer eine Offerte aus der britischen Premier League ausschlug, weil er sich in Mannheim mehr Spielpraxis für seine persönliche Weiterentwicklung versprach. Nach dieser Saison werden die Karten womöglich aber neu gemischt – und der Waldhof könnte für den früheren Offenbacher (Vertrag bis 2023) eine Ablöse im hohen sechsstelligen Bereich einstreichen. Das wäre für Drittliga-Verhältnisse ein kleiner Jackpot.
Mit guten Leistungen Begehrlichkeiten geweckt hat auch Linksverteidiger Anton Donkor (23), den Kientz von seinen Anlagen mit Bayern-Senkrechtstarter Alphonso Davies vergleicht. Im Januar lehnte der Waldhof-Manager schon Angebote aus der ersten niederländischen Liga für den Mann aus der Wolfsburger Nachwuchsakademie ab. Da Donkor über den Sommer hinaus einen gültigen Vertrag am Alsenweg besitzt, könnte der SVW auch in diesem Fall die Ablöse frei verhandeln – sofern andere Vereine erneut ihr Interesse hinterlegen.
Kientz’ Gespür für Entdeckungen mit viel Entwicklungspotenzial – die „Karriere-aufwärts“-Spieler – hat die Mannheimer selbst ohne die ganz dicken Gehälter in der 3. Liga konsolidiert. Aber auch als eine Art Sprungbrett-Verein für talentierte Spieler mit Perspektive verfolgt der SVW weiterhin ambitionierte Ziele. „Klar ist: Wir wollen erfolgreichen Fußball spielen und vielleicht auch einmal den nächsten Schritt machen“, sagt Kientz. „Vor zwei Jahren waren wir noch in der Regionalliga, heute verhandeln wir mit Hertha BSC über Transfers. Wir sind angekommen im Profifußball und wollen uns Schritt für Schritt weiterentwickeln.“
Die sportliche Situation ist mit zwölf Punkten Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz vor dem Spiel bei Hansa Rostock am Samstag (14 Uhr) entspannt, die Mannheimer ernten für ihre kreative Kaderzusammenstellung ligaweit viel Anerkennung – und doch gibt es intern Probleme.
Kommunikationsprobleme?
Auf der Führungsetage schwelt nach Information dieser Redaktion ein Konflikt, der Zündstoff birgt. Geschäftsführer Markus Kompp und Kientz reden seit Monaten offenbar kaum noch miteinander, die Beziehung zwischen den beiden gilt im Umfeld des Clubs als gestört. Der Manager soll laut Quellen aus Vereinskreisen über die schlechte Zusammenarbeit und mangelnde Kommunikation zunehmend frustriert sein. Auf Anfrage dieser Redaktion hält sich Kientz in der heiklen Angelegenheit allerdings bedeckt. Er wolle sich nur zu sportlichen Fragen äußern, erklärt der Ex-Profi. Dass zwischen dem Chef der Spielbetriebs-GmbH und dem Sportdirektor seit längerem fast Funkstille herrscht, bestätigen jedoch mehrere Quellen aus dem Vereinsumfeld.
In einer Stellungnahme bestreitet Kompp indes, dass er mit Kientz über Kreuz liegen soll. „Aufgrund Ihrer Anfrage haben wir uns noch mal ausgetauscht und können Ihr angebliches Gerücht gemeinsam dementieren. Wir arbeiten bereits seit 2017 und auch weiterhin professionell zusammen“, teilt er mit. Bei einem SVW-Insider hört sich das anders an. „Das Verhältnis zwischen den beiden ist schon länger äußerst angespannt“, sagt er.