Moskau. Seine fünf Tage Urlaub zwischen der alten und neuen Saison verbrachte Domenico Tedesco zu Hause in Deutschland. Als er am Donnerstag den Flieger von Frankfurt nach Moskau bestieg, befiel ihn aber nicht etwa Wehmut, sondern schon wieder Vorfreude. Die Bundesliga vermisst der bei Schalke 04 erst zum Trainer-Überflieger gehypte und dann nur zehn Monate nach der Vize-Meisterschaft 2018 entlassene Coach nicht. „Wenn ich in die Bundesliga hätte gehen wollen, wäre ich jetzt dort“, sagte der 34-Jährige: „Es gab einige konkrete Anfragen in den letzten Monaten, aber ich bin in Moskau und fühle mich hier wohl.“
Dass er ein halbes Jahr nach der Entlassung auf Schalke zu Spartak Moskau ging, überraschte viele. Für manch einen sah der Sprung in die siebtbeste Liga Europas nach einer Flucht aus nach den aufreibenden 20 Monaten. In denen sei „alles drin und alles dran“ gewesen, sagte Tedesco. Natürlich habe er „nach der emotionalen Zeit erst mal abgeschaltet und sich Gedanken über den nächsten Step gemacht“. Doch unter dem Radar fliegt er bei Spartak bestenfalls aus deutscher Sicht.
Der „FC Bayern Russlands“
Genauer betrachtet ist seine Aufgabe in Sachen Druck und Umfeld vergleichbar mit der auf Schalke. Spartak sei „so etwas wie der FC Bayern Russlands“, sagte Tedesco. Was insofern stimmt, dass der Club Rekordmeister der Premjer-Liga ist. 30 Millionen Fans im ganzen Land habe der Verein, sagte Tedesco mit leuchtenden Augen, „und eine unheimliche Wucht“.
Das Problem: Seit 17 Jahren holte der Verein nur einen einzigen Titel. Und obwohl Tedesco Spartak von Rang zwölf auf Platz sieben führte, war der Verein damit nur die viertbeste Mannschaft in Moskau nach Lok, ZSKA und Dynamo. Weil er die Mannschaft „in sichere Gewässer“ und zudem ins Pokal-Halbfinale führte, ist der einstige Hoffenheimer Jugendtrainer sportlich dennoch „fürs Erste zufrieden“. Die Entscheidung für Spartak sei „absolut richtig“ gewesen. Und der Aufbau der extrem jungen Mannschaft, die zudem für die neue Saison kaum verstärkt wurde, sei sehr reizvoll.
Mit der Zeit auf Schalke hat er längst seinen Frieden geschlossen. „Was ich schade finde, ist die Schwarz-Weiß-Denke, die vielerorts herrscht. Denn auch in der zweiten Saison war nicht alles schlecht.“