Leipzig. Ein Fußballspiel sollte sein wie ein Konzert. Die Leute gehen hin und sollen bestens unterhalten werden. Das sagt Julian Nagelsmann, der neue Trainer von RB Leipzig im Interview. Wenngleich er einschränken muss: „Als Fan wünscht man sich das vielleicht, aber als Trainer hat man andere Aufgaben, als nur schönen Fußball spielen zu lassen.“
Julian Nagelsmann
- Julian Nagelsmann wurde am 23. Juli 1987 in Landsberg am Lech südlich von Augsburg geboren. Nagelsmann spielte beim FC Issing, FC Augsburg und 1860 München. Nach einer schweren Knieverletzung musste er im Alter von 20 Jahren seine Spielerkarriere beenden.
- In Augsburg startete der Bayer unter Thomas Tuchel seine Trainerlaufbahn. Zur Saison 2010/11 wechselte Nagelsmann als „Co“ der U 17 zur TSG 1899 Hoffenheim. Später fungierte er als Chef der U 17 und U 19. Als jüngster Bundesliga-Coach trainierte er die Hoffenheimer Bundesliga-Mannschaft von Februar 2016 bis Sommer 2019 und führte den Club in die Champions League.
- Seit dieser Saison betreut Nagelsmann Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig.
Was ist für Sie schöner Fußball?
Julian Nagelsmann: Grundsätzlich offensiv ausgerichtet. Man sollte nicht destruktiv sein, sondern selbst versuchen, die Zuschauer und den Trainer zu begeistern. Die Jungs sollen Spaß daran haben, was sie auf dem Spielfeld machen. Ein Spiel sollte Konzertcharakter haben, die Leute unterhalten. Oben drauf sollte der Erfolg dabei sein – ohne den funktioniert es nicht.
Wie weit sind Sie bereits mit Ihrer Mannschaft in Leipzig?
Nagelsmann: Als Fan wünscht man sich das vielleicht, aber als Trainer hat man andere Aufgaben, als nur schönen Fußball spielen zu lassen. Es ist in diesem Zirkus so, dass man erfolgreich sein und Spiele gewinnen muss. Manchmal muss man von der Überzeugung abrücken und einfach ein Spiel gewinnen. Das Ergebnisdenken steht über allen Dingen und die Attraktivität leidet mitunter darunter. Der Druck, der auf den Protagonisten herrscht, ist destruktiv demgegenüber, was den Sport eigentlich auszeichnet. Wenn du in der Bundesliga gewinnst, ist es besser für die Mannschaft und den Trainer, als wenn du nur gut spielst.
Die Bundesliga ist so eng wie seit Jahren nicht mehr. Spricht das auch für die Qualität der Liga?
Nagelsmann: Wir sind immer noch sehr früh in der Saison. Aktuell geht es mit einem Sieg oder einer Niederlage noch zu sehr hoch oder runter. Vor der Saison habe ich prognostiziert, dass es eine enge Saison wird. Ganz einfach deshalb, weil es in vielen Clubs Veränderungen gab, die in den vergangenen Jahren oben standen. Es ist wie in einer Herde, wo es durch Veränderungen zu Verschiebungen in der Hierarchie kommen kann. Es steigert die Attraktivität, wenn man nicht schon im Oktober weiß, wer am Ende in den Top 4 ist.
Wer ist der derzeit beste deutsche Spieler?
Nagelsmann: Das ist sehr schwer zu beantworten. Kai Havertz ist ein sehr interessanter Spieler. Marco Reus ist extrem auffällig und unglaublich gut, wenn er fit ist. Niklas Süle ist ein herausragender Verteidiger, Joshua Kimmich jemand, der immens variabel ist und sechs, sieben Positionen auf Champions-League-Niveau spielen kann. Man kann es schwer an einem Spieler festmachen, denn es ist ungerecht, einen Stürmer mit einem Abwehrspieler zu vergleichen.
Tut eigentlich das momentan große Angebot an Fußball gut oder wird das irgendwann zu viel?
Nagelsmann: Fußball ist mittlerweile ein extrem großer Wirtschaftszweig. Es ist ein Sport, der extrem viele Menschen in Lohn und Brot bringt. Dass dadurch die Präsenz größer ist als von anderen Sportarten, ist aus dieser Betrachtung sicherlich gerechtfertigt. Der Fußball lässt sich seit Jahren sehr gut vermarkten. Trotzdem würden sich andere Sportarten natürlich mehr Aufmerksamkeit wünschen, das kann ich total nachvollziehen.
Wie nehmen Sie das wahr, wenn an einem Wochenende mal über Triathleten statt über Fußball gesprochen wird?
Nagelsmann: Ich finde das sehr gut. Es ist schon manchmal ein bisschen skurril, dass in einer Sportart eine WM stattfindet und man bekommt es nicht einmal mehr mit. Die Tatsache, dass über Fußball mehr berichtet wird, ist nicht schlimm. Aber die Hülle und Fülle manchmal schon. Wenn ich am Sonntagmorgen den Fernseher anschalte, gibt es gefühlt 44 Talksendungen über Fußball. Da sollte man mal einen Cut machen und anderen Sportarten eine Bühne geben.
Wie sieht es denn bei Ihnen aus, wenn Sie an einem freien Abend den Fernseher anschalten. Läuft da Fußball?
Nagelsmann: Gern mal Trash-TV, um den Kopf frei zu bekommen. Da kann ich dann dasitzen, muss über nichts nachdenken und kann einfach nur grinsen. Im Trainerteam schauen das einige und dann schicken wir uns während der Sendungen gern mal Sprachnachrichten und feiern ab. Ich schaue auch viele Dokumentationen über Tiere, das habe ich mit meinem Papa immer getan.