London. Grüne Wohlfühloasen bietet die Großstadt London einige. Nicht ganz so berühmt wie der Hyde Park mit dem Prinzessin-Diana-Gedenkbrunnen oder der Regent’s Park mit den Wachsfiguren im Madame Tussauds ist der Syon Park, der sich tief im Westen der britischen Metropole an der Themse entlangschlängelt. Hier im Stadtteil Brentford hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft am Sonntag ihr schmuckes Quartier für die bevorstehende Europameisterschaft in England (6. bis 31. Juli) bezogen.
Die Zuwege sind für Radfahrer und Fußgänger getrennt und von hohen Mauern umgeben, ehe eine schmucke Herberge auftaucht, die schon einmal Glück gebracht hat. „Da haben wir schon 2019 gewohnt, als wir England geschlagen haben“, berichtet Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die schöne Erinnerung an einen prestigeträchtigen Sieg im fast voll besetzten Wembley-Stadion gegen den EM-Gastgeber war aber nicht der Grund für die Wahl des Basiscamps.
Vielmehr liegt das Brentford Community Stadium, Heimstätte des Premier-League-Clubs FC Brentford, nicht weit entfernt. Und das ist nun mal der Schauplatz für die wichtigen EM-Gruppenspiele gegen Dänemark (8. Juli) und Spanien (12. Juli), ehe es für die letzte Partie gegen Finnland (16. Juli) nach Milton Keynes geht.
Bestenfalls bis zum Halbfinale wollen die deutschen Fußballerinnen im Syon Park residieren. „Das wird ein echtes Zuhause sein – gerade mit den vielen Grünanlagen drumherum“, glaubt die Bundestrainerin. Tatsächlich wirkt hier alles ein bisschen entschleunigt.
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich ein Lkw durch den Eurotunnel aufgemacht, um vorab reichlich Gepäck der DFB-Frauen auf die Insel zu schaffen. Darunter 520 Trikots, 210 Paar Stutzen und 80 Bälle sowie Regenschirme, Dartscheiben und Taktiktafeln. Auch Sonnenliegen, Gewürze und Trockenfrüchte waren dabei, weil solche Waren nach dem Brexit in England kaum noch zu bekommen sind. Gesamtgewicht aller Materialien: 40 Tonnen.
„Kein Selbstläufer“
Und dann ist da ja noch der Ballast, der nach acht EM-Titeln zwangsläufig auf einem deutschen Team lastet: die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit. Warum soll es denn nicht einfach wieder wie früher laufen?
Dazu kann Voss-Tecklenburg vieles sagen, und jedes ihrer Argumente von fehlerhafter Ausbildung, über veränderte Persönlichkeiten bis hin zu gesellschaftlichen Entwicklungen wirkt schlüssig. Aber in der Gesamtheit geht es der 54-Jährigen um dies: dass alles andere als ein Turniersieg als Misserfolg gilt.
„Ich glaube, das liegt daran, dass viele Menschen zu wenig aufgeklärt darüber sind, wie sehr sich der Frauenfußball entwickelt hat. Dass Deutschland immer gewinnt, ist kein Selbstläufer.“ Diese Botschaft möchte sie unbedingt ankommen lassen, bevor der EM-Ball am Freitag (21 Uhr) gegen Dänemark erstmals für die DFB-Frauen rollt.