Düsseldorf. Die Zuschauerzahlen steigen kontinuierlich, alle Spiele laufen live im TV und zur prominenten Besetzung gehören einstige Weltmeister, Europacup-Sieger und deutsche Meister. Auf den ersten Blick erscheint die 3. Liga wie ein echtes Erfolgsmodell. Das sehen die meisten Vereine allerdings anders. Für sie heißt vor dem Wiederauftakt nach der Winterpause an diesem Freitag das Motto: Nichts wie raus!
Bis zu den künftig von Felix Magath unterstützten Würzburger Kickers auf Tabellenplatz 13 hoffen angesichts der engen Tabellen-Konstellation mehr als ein Dutzend Vereine auf den Aufstieg – unter ihnen auch der SV Waldhof Mannheim, der überraschend auf Relegationsplatz 3 in die Winterpause ging. Es ist nicht nur der sportliche Ehrgeiz, der alle treibt. Sondern vor allem die finanzielle Sorge.
In der 3. Liga müsse jeder Verein „jeden Tag ums Überleben kämpfen“, sagte Ex-Nationalspieler Manfred Schwabl. Der Präsident der SpVgg Unterhaching fordert schon seit einer Weile die Eingliederung der dritten Profiliga unter das Dach der Deutschen Fußball Liga. Die DFL nimmt auch Ingo Wald, Präsident des Herbstmeisters MSV Duisburg, in die Pflicht, wenn er eine baldige Umverteilung der TV-Gelder fordert. „Ich glaube, DFL und DFB sind gut beraten, Lösungen zu finden, mit der sich die wirtschaftliche Diskrepanz zwischen den Ligen nicht so etabliert“, sagte Wald und stellte klar: „Der MSV kann auf Dauer in der 3. Liga kaum überleben.“
DFB moniert „Wettrüsten“
Dies ist zum einen sicher ein „Systemfehler“, wie Schwabl moniert. Der Unterschied bei den TV-Geldern nach einem Abstieg betrage mindestens acht Millionen Euro, rechnet Wald vor: „Bei Vereinen, die längere Zeit in der 2. Liga gespielt haben, ist die Differenz noch deutlich größer.“ So schnell kämen die Vereine aber nur schwerlich von ihrem Kosten-Niveau der 2. Liga herunter, so der MSV-Präsident.
Um dieser Kostenfalle zu entgehen, stürzen sich viele Vereine ins Risiko – und übernehmen sich. Der DFB monierte schon einmal ein „gegenseitiges Wettrüsten“ der Vereine. „Die Spielergehälter zwischen 2. und 3. Liga sind oft gar nicht weit auseinander“, sagte Günther Gorenzel, Geschäftsführer von 1860 München. Laut DFB-Finanzbericht wird für die Saison 2018/19 ein durchschnittlicher Fehlbetrag von über 1,5 Mio. Euro verbucht werden – das ist mehr als das Fernsehgeld von 1,28 Mio. pro Saison. „Dieser deutlich negative Rekordwert wird jedoch stark durch einzelne Clubs beeinflusst“, schreibt der DFB. Insgesamt hatten die 20 Vereine zum Stichtag am 31. Dezember 2018 113 Mio. Euro Schulden angehäuft. Alleine in den vergangenen drei Jahren stellten vier Drittligisten den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Beim Aufsteiger in Mannheim sind die Verantwortlichen indes erst einmal froh, nach drei gescheiterten Versuchen überhaupt die Regionalliga verlassen zu haben, die Waldhof-Präsident Bernd Beetz als „finanzielles Blutbad“ bezeichnet hatte. Im Aufstiegsjahr verzeichnete der SVW einen Verlust von 2,2 Mio. Euro. Verglichen damit hat sich die Einnahmensituation durch das Fernsehgeld, neue Sponsoren und den auf über 10 000 Fans gestiegenen Zuschauerschnitt verbessert. „Ich glaube, dass es nicht viele Drittligisten gibt, die wirtschaftlich so stabil sind wie wir“, sagte Beetz auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen November.
Idee: Keine Winterpause mehr
Große Nöte haben allerdings die früheren deutschen Meister Eintracht Braunschweig und 1. FC Kaiserslautern. Die Braunschweiger hatten zum Zeitpunkt ihres überraschenden Zweitliga-Abstiegs 2018 keine Schulden und ein Eigenkapital von 7,6 Mio. Euro. Nach nur einem Jahr in der 3. Liga ist ein Teil davon schon aufgezehrt. In der vergangenen Saison machte die Eintracht 4,4 Mio. Euro Minus. „Und dieser Millionenverlust ist dank der harten und teilweise auch sehr schmerzhaften Sparmaßnahmen deutlich geringer ausgefallen als zunächst befürchtet“, sagte Präsident Sebastian Ebel. Unter anderem lösten die Braunschweiger ihre Scouting-Abteilung auf und stuften die zweite Mannschaft in die Landesliga zurück. Fast alles Geld fließt den Profis zu, damit diese in die 2. Liga aufsteigen.
Der FCK scheint sich mit dem neuen Aufsichtsrat um Ex-Weltschiedsrichter Markus Merk professioneller aufzustellen und legte sportlich in 2019 einen starken Schlussspurt hin. Dennoch ist es ein ständiger Tanz auf der Rasierklinge. Die Lizenz für diese Spielzeit wurde nur durch die Aufnahme von Fremdkapital in Höhe von rund zwölf Mio. Euro gesichert, die Verbindlichkeiten betragen fast 25 Mio. Euro. Das Saison-Minus dürfte sich wie im Vorjahr auf fünf Mio. belaufen.
Rostocks Trainer Jens Härtel schlug derweil einen „Boxing Day“ vor. Durch das Durchspielen im Winter solle sich die 3. Liga ein Alleinstellungsmerkmal verpassen. „Interessant“ nennt Wald die Idee. Und auch die zuständige DFB-Direktorin Heike Ullrich sagte dem „Kicker“, das sei „eine Diskussion wert. Wir sind für alle Themen und Anregungen offen, die dazu beitragen können, die 3. Liga noch attraktiver zu gestalten.“ Damit diese nicht nur auf den ersten Blick ein Erfolgsmodell ist. (mit dpa)
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Unheilvolle Diskrepanz