Berlin. Das Aufholen coronabedingter Lernrückstände von Schülern erfordert nach Schätzungen des Deutschen Lehrerverbands (DL) rund zwei Milliarden Euro. DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag: „Viele Kinder und Jugendliche werden zukünftig begleitende Förderangebote etwa in Form zusätzlichen Nachmittagsunterrichts oder digitaler Nachhilfe brauchen.“ Beim Großteil der Schülerinnen und Schüler könnten die coronabedingten Lerndefizite in den nächsten zwei Schuljahren wieder aufgeholt werden.
Bei mindestens 20 Prozent der Schüler gehe er aber davon aus, dass wegen der Corona-Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden sei. „Da haben wir Bedenken, ob sie überhaupt noch den verpassten Stoff aufholen können.“ Zwischen 300 und 600 Präsenz-Unterrichtsstunden seien je nach Bundesland, Schulart und Infektionslage inzwischen weggefallen und nur teilweise durch Distanzunterricht ersetzt worden, so Meidinger. Er erwarte daher, dass eine Lernförderung über mehr als nur ein Schuljahr laufen müsse. „Das ist eine Langstrecke und nicht nur eine vorübergehender Förderung.“
Rund 100 Stunden pro Betroffenem
Ähnliche Zahlen hatte zuletzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) genannt. Die Studie des arbeitgebernahen Instituts geht laut einem Bericht der „Rheinische Post“ (Samstag) zufolge von rund 1,5 Millionen Schülern aus, bei denen durch die Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden ist. Die Autoren rechnen mit einem durchschnittlichen Förderbedarf von rund 100 Stunden pro betroffenem Schüler – und kommen so auf eine Fördersumme von 1,5 Milliarden Euro.
Über ein entsprechendes Förderprogramm beraten Bund und Länder bereits seit einigen Wochen: Im Gespräch ist eine „Nachhilfe-Milliarde“. Dies sei der Bedarf für die Kernfächer, erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die SPD-geführten Länder schlagen vor, rund jedem fünften der 11 Millionen Schüler zusätzlichen Unterricht anzubieten. Karliczek sagte: „20 bis 25 Prozent der Schüler haben vermutlich große Lernrückstände.“ Möglichst schon zu den Sommerferien, spätestens zum neuen Schuljahr würden entsprechende Förderangebote bereitgestellt, für Deutsch, Mathematik und möglicherweise die erste Fremdsprache. Zielgruppe seien vor allem Schülerinnen und Schüler, bei denen ein Wechsel bevorstehe.
Auch DL-Präsident Meidinger forderte eine baldige Bestandsaufnahme über den Lernstand: „Wir brauchen möglichst bald einen Überblick vorrangig in den Kernfächern, wo die Schüler stehen und wie groß die Lücken sind.“ Auf der Grundlage dieser Diagnose sollte dann gemeinsam mit Eltern und Kindern beraten werden, welche Maßnahmen nötig und sinnvoll sind, um die Zukunftschancen sowie die weitere Bildungslaufbahn und die angestrebten Schulabschlüsse zu sichern. dpa