Berlin. Erst Schulen und Kitas, ab 1. März die Friseure und dann auch wieder Kaufhäuser und Kosmetikstudios: Bund und Länder haben sich am Mittwochabend darauf geeinigt, ab einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Fällen den Einzelhandel, die Museen und Studios für körpernahe Dienstleistungen unter strengen Auflagen wieder zu öffnen. Die Frage ist nun: Gilt das ab sofort? Und zwar überall dort, wo die Inzidenz so niedrig ist?
Die Kanzlerin schränkte bereits am Abend ein, dass die Sieben-Tage-Inzidenz mindestens über drei bis fünf Tage unter 35 Fällen pro 100 000 Einwohner liegen müsse, um „stabil“ zu sein. Das könnte bald der Fall sein: Am Donnerstag lag die bundesweite Inzidenz bei 64,2, sie sinkt seit Tagen. Virologen gehen davon aus, dass die 35er-Schwelle bereits Anfang März erreicht sein könnte. „Ich kann mir vorstellen, dass man bis dahin auf den Zielwert von 35 kommt – wenn sich alle weiter an die verordneten Maßnahmen halten“, sagte der Gießener Virologe Friedemann Weber. Hieße das also, dass erste Shoppingcenter auch vor dem Ende des Lockdowns am 7. März öffnen? Zumindest dann, wenn es die regionale Infektionslage zulässt?
Länder sollen entscheiden
Bund und Länder haben diese Frage nicht präzise beantwortet, Beteiligte sprechen sogar von einer wachsweichen Formulierung. Nur so viel: Der Öffnungsschritt soll durch die Länder erfolgen, sie können diesen Schritt für das ganze Bundesland, aber auch für einzelne „Gebiete“ gehen. In Norddeutschland gibt es jetzt schon etliche Städte und Landkreise, bei denen die Inzidenz bereits unter 35 liegt. Schleswig-Holstein aber hat sich bereits festgelegt: Öffnungen soll es erst geben, wenn die Inzidenz landesweit niedrig genug ist. In Plön sind die Läden offen, in Flensburg geschlossen – das soll es nicht geben.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) will auch nur dann landesweite Öffnungsschritte gehen, wenn keine Gefahr besteht, dass etwa Hamburger, bei denen noch keine Lockerungen möglich sind, dann massenhaft nach Kiel zum Einkaufen kommen. „Da wird es enge Absprachen zwischen den benachbarten Ländern geben“, sagte der Kieler Regierungssprecher Peter Höver dieser Redaktion.
Die Landkreise haben allerdings erhebliche Zweifel, dass das in der Praxis funktioniert. In Gebieten, in denen aufgrund einer hinreichend niedrigen Inzidenz wieder die Geschäfte öffnen, „werden wir einen gewissen Shoppingtourismus nicht in allen Fällen verhindern können“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, dieser Redaktion. Denn: „Man kann weder die Grenzen eines Landkreises kontrollieren noch die Inhaber von Geschäften dazu verpflichten, nur noch die ansässige Bevölkerung zu bedienen. Das alles wäre nicht mehr verhältnismäßig und auch lebensfremd“, so Sager. Er bezog sich konkret auf jene Formulierung im Bund-Länder-Beschluss, wonach „benachbarte Gebiete“ mit stark unterschiedlichen Inzidenzen gemeinsame Vorkehrungen treffen sollen, „um länderübergreifende Inanspruchnahme der geöffneten Angebote“ zu vermeiden.
Disziplin der Bürger gefragt
Sager sagte weiterhin, letztlich komme es „auf das umsichtige Verhalten der Bevölkerung an“. Insofern sei es abhängig von der Disziplin der Bürger, „ob wir den Lockerungsweg nachhaltig gehen können“. Der Landkreis-Präsident verwies auf die Schließung von überlaufenen Touristenzielen in den zurückliegenden Wochen des Lockdowns. Zu solchen Schritten sei man „immer dann gezwungen, wenn die Vernunft der Menschen nachlässt“.