Walter Serif
Mannheim. Der renommierte Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz (Bild) rüttelt an einem Tabu: Ärzte sollen suizidwilligen Patienten helfen, ihren Wunsch zu erfüllen. "Das ist nicht strafbar", sagt Taupitz, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, unserer Zeitung. Nach seiner Einschätzung verbietet das Gesetz nur das Töten als letzten Akt. "Der Arzt darf einem Patienten nicht die Todespille verabreichen, er kann dem Sterbewilligen aber bei Dosis und Auswahl des Medikaments helfen", sagt Taupitz. Nichts sei schlimmer als ein misslungener Suizid.
Der Wissenschaftler betont, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auch die Selbsttötung umfasse. Kranke, die schwere Leiden ertragen müssten, hätten unter Umständen gute Gründe, aus dem Leben zu scheiden. Ärzte sollten ihnen dabei helfen, aber ihnen vor allem auch Alternativen zum Weiterleben aufzeigen. "Eine Fachkraft kann zudem leichter herausfinden, ob hinter dem Sterbewunsch wirklich die freie Patientenentscheidung steht", sagt der Wissenschaftler von der Mannheimer Universität.
Im 26-köpfigen Deutschen Ethikrat ist Taupitz mit seinen Thesen auf ein geteiltes Echo gestoßen. "Wir haben das in der Tat kontrovers diskutiert", räumt Taupitz ein. Er stellt sich mit seiner Position gegen den Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe, der die Mediziner davor warnt, als Suizidhelfer aufzutreten. Die Standesrichtlinien stufen die Suizidhilfe als unethisch ein. "Aber sie verbieten sie nicht", betont der Wissenschaftler. Aktive Sterbehilfe, die gesetzlich verboten ist, lehnt auch Taupitz ab.
Der Medizinrechtler stößt mit seinen Thesen eine neue Debatte an. Erst vor zwei Wochen gab Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch seine Sterbehilfe-Tätigkeit auf. Kusch zog die Konsequenzen aus einem Gerichtsurteil, das ihm ein Verbot auferlegt hatte. Er hatte 2008 bei einer 79-Jährigen Sterbehilfe geleistet und damit Empörung ausgelöst. Taupitz will mit seinem Vorstoß verhindern, dass die kommerzielle Sterbehilfe in Deutschland Fuß fassen kann. "Aber dazu müssen die Ärzte über ihren Schatten springen und sich der Realität stellen."