Washington. Die ersten Bilder aus dem Weißen Haus sprechen Bände. Trump räkelt sich breitbeinig im Sessel, während seine Hände ungeduldig ineinander schlagen. Merkel wendet sich ihm mit überschlagenen Beinen und gefalteten Händen zu. Während des Blitzlicht-Gewitters der Kameras geht die Kanzlerin kurz auf Reporterfragen nach der Stimmung ein. "Sehr gut, Danke, ein sehr freundlicher Empfang", murmelt sie. "Eine gute Gelegenheit sich zu unterhalten".
Sachliche Begrüßung
- Ein Händedruck, freundlich und sachlich. Augenkontakt. Leichtes Schwenken zu den wartenden Fotografen, Lächeln in die Kameras. Als sich die beiden zur Eingangstür wenden, legt Trump Merkel leicht die Hand auf den Rücken. Die Begrüßung der Kanzlerin verlief - entgegen einiger Spekulationen - nach Protokoll.
- Trump hatte nach seiner Amtsübernahme mitunter bemerkenswerte Begrüßungsrituale an den Tag gelegt, wie ruckartiges Ziehen am Arm.
- Dabei ist Trump, der sich angeblich sehr vor Bakterien und Ansteckungen fürchtet, das Händeschütteln als solches eigentlich zutiefst suspekt. Der "Washington Post" sagte er, es sei ein Fluch der amerikanischen Gesellschaft. dpa
"Nach vorne schauen"
Gesprächsbedarf zwischen dem Präsidenten und der Kanzlerin bestand reichlich. Hatte Trump seinen Gast aus Deutschland in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade mit großem Respekt behandelt. Doch Merkel war nicht an den Potomac gekommen, um vergangene Äußerungen auf die Waagschale zu legen. Das Ziel ihrer vielleicht schwierigsten Mission als Kanzlerin bestand darin, "nach vorne schauen". Gemessen an den Verzögerungen bei der Pressekonferenz im Weißen Hauses dürfte die Liste der Gesprächsthemen lang gewesen sein. Mehr als eine Dreiviertel-Stunde ließen Trump und Merkel die Reporter warten.
Bei ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt versuchte das ungleiche Paar dann vor allem Gemeinsamkeiten zu betonen. Der US-Präsident bekannte sich ausdrücklich zur NATO, die Kanzlerin versprach, größere Verteidigungslasten zu schultern und in Afghanistan engagiert zu bleiben. Beide betonten die historische Verbundenheit zwischen beiden Ländern und die Chancen des Handels. Für Lacher sorgte Trump bei seiner Antwort auf die Affäre um den angeblichen Lauschangriff auf seinen Wolkenkratzer in New York. "Zum Thema Abhören durch die Obama-Regierung", setzte Trump an und schaute Richtung Merkel: "Da haben wir vielleicht eine Sache gemeinsam".
Merkel formulierte Differenzen, indem sie positiv über die Rolle der Europäischen Union sprach, sich dafür einsetzte, "Flüchtlingen eine Perspektive zu eröffnen" und betonte, wie Handelsabkommen Jobs schaffen. Sie lud Trump ein "die bilateralen Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Freihandelsabkommen" (TTIP) wieder aufzunehmen. Trump wurde direkter. "Die USA sind in den vergangenen Jahren unfair behandelt worden", nahm der Präsident die Opferrolle beim Handel und in der Sicherheitspolitik ein. "Das wird nun beendet." Amerika werden unter seiner Führung militärisch aufrüsten und die Grenzen sichern.
Die Erwartungen an den ersten Besuch der Kanzlerin beim neuen US-Präsidenten waren von Anfang an bescheiden. Die Schnittmengen der beiden Politiker fallen klein aus. Hier die nüchterne, sachorientierte Merkel. Da der schrille, an Fakten nicht interessierte Trump, der keinen Superlativ auslässt. Mit dem Fehlen einer gemeinsamen Chemie ließe sich leben, gäbe es inhaltliche Übereinstimmungen. Denn so wichtig das persönliche Verhältnis zwischen Regierungschefs auch sein mag, geht es in den Beziehungen zwischen Ländern nicht um die Länge eines Händedrucks oder die Körperhaltung. Auf dem Spiel stehen, wie Merkel wiederholt betonte, nationale Interessen.
Ganz oben auf ihrer Gesprächsliste standen deshalb die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sicherheit und die Verteidigung der Demokratie. Trump wollte sich bei Merkel über ihre Erfahrungen mit Wladimir Putin informieren. Die im Russischen versierte Merkel dürfte ihm dazu hinter verschlossenen Türen ein paar Takte gesagt haben. Ob der Präsident ihren Rat annimmt, steht auf einem anderen Blatt. Molly Ball vom Magazin "The Atlantic" meint, Trump sehe die Welt nicht in traditionellen Kategorien. Er sei stark durch die Ideen seines Chef-Ideologen Steve Bannon beeinflusst, "der in Merkel die letzte 'Globalistin' sieht". Ein wesentlicher Grund, warum er sie zur "Lieblingsfeindin" erkoren habe. Für Merkel ging es mit ihrem Kennenlernbesuch darum, die Tür für einen weiteren Dialog öffnen. Den Ton hat sie auf jeden Fall verbessert - eine Herzens-Freundschaft zeichnet sich aber nicht ab.