Pensionswelle I - Bund und Länder konkurrieren mit der Wirtschaft und untereinander um die besten Köpfe

Staat gehen die Beamten aus

Von 
Walter Serif
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Das Land Baden-Württemberg will bis 2024 rund 1500 neue Stellen bei der Polizei besetzen. Die Beamtengewerkschaft meint, das sei zu wenig. © dpa

Mannheim. Acht Prozent mehr Geld für die Angestellten im öffentlichen Dienst – in früheren Zeiten hätte es einen solchen Tarifabschluss nur mit großem Zähneknirschen bei den Verhandlungsführern der Bundesländer gegeben. Doch davon war Anfang März nichts zu spüren. Wahrscheinlich werden die Bundesländer den Abschluss auch auf die Beamten übertragen, was früher nicht immer so war.

Ein Viertel geht bis 2027 in Rente

  • Der rheinland-pfälzische Landesrechnungshof mit Sitz in Speyer hat in seinem Jahresbericht beziffert, wie viele Landesbedienstete bis Ende 2027 in den regulären Ruhestand gehen werden: Es sind mit mehr als 24 000 Beschäftigte fast 26 Prozent.
  • Die Landesrechnungshöfe in Baden-Württemberg und Hessen haben nach Auskunft bisher keine solchen Erhebungen vorgenommen. Den Schätzungen der jeweiligen Ministerien und Gewerkschaften zufolge dürften die Größenordnungen in den zwei Bundesländern aber nicht grundlegend anders als in Rheinland-Pfalz sein.
  • Jörg Berres, Präsident der Speyerer Behörde, betont allerdings, dass nicht jede der wegfallenden Stellen wieder neu besetzt werden muss. Er spricht von „Einsparpotenzialen“, die genutzt werden könnten und nennt die „Digitalisierung der Verwaltung“ und „Optimierung der Ablauf- und Aufbauorganisation“. Berres: „Es gilt weiterhin Personal zu sparen, aber nicht am Personal zu sparen.“

Das liegt nicht nur an der besseren Kassenlage. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Außerdem kommen immer mehr der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter und reißen Lücken in den Amtsstuben. Noch ist der Höhepunkt nicht erreicht, der demografische Wandel wird sich verschärfen. Der Staat konkurriert beim Werben um Fachkräfte nicht nur mit der Wirtschaft. Es gibt auch einen Wettbewerb der Bundesländer untereinander. Und da spielt die Bezahlung eine große Rolle.

Rheinland-Pfalz liegt weit hinten

Von dieser Entwicklung wollen auch die Gewerkschaften profitieren. Kai Rosenberger, Vorsitzender des Beamtenbunds Baden-Württemberg (BBW), reicht es jedenfalls nicht, dass Grün-Schwarz in Stuttgart den Tarifabschluss auf die Staatsdiener übertragen will. Er verlangt einen Zuschlag. Die Beamten im Bund und in Bayern würden viel mehr Geld bekommen. Jetzt sollen die Südwest-Beamten wenigstens mit den Kollegen in Sachsen mithalten können, fordert Rosenberger.

Das liegt daran, dass Bund und Länder jeweils eigene Besoldungsgesetze haben. Die rheinland-pfälzischen Beamten stehen nicht so gut da. Deshalb gibt es für sie einen Nachschlag. Sie erhalten 2019 und 2020 jeweils zwei Prozent zusätzlich. „Das haben wir jahrelang verlangt, weil Rheinland-Pfalz im Besoldungsranking dramatisch gesunken ist. Die Regierung hat daraus die Konsequenzen gezogen“, sagt Malte Hestermann, Landesgeschäftsführer des Beamtenbunds. Rheinland-Pfalz komme damit zwar aus dem Tabellenkeller. „Aber bis zur Spitze ist es noch weit.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) will mit dieser Entscheidung „die besten Köpfe“ für den Landesdienst „begeistern“. Dafür muss aber auch die Bezahlung konkurrenzfähig sein. „Wer von der Landesverwaltung in Koblenz zum Beispiel zur Bundeswehrverwaltung am selben Ort wechselt, kann derzeit mehrere hundert Euro zusätzlich im Monat verdienen“, erklärt Hestermann.

Aber auch der Wechsel in ein anderes Bundesland ist verlockend. Hestermann kritisiert, dass die „feindliche Abwerbung“ inzwischen an der Tagesordnung sei. „Wir wollen eine Angleichung der Besoldung“, sagt der Gewerkschafter.

Jörg Berres, Präsident des rheinland-pfälzischen Landesrechnungshofs, vermisst eine „ressortübergreifende Gesamtstrategie“ bei der Personalentwicklung. Auch der Frankenthaler Landtagsabgeordnete Christian Baldauf (CDU) fordert eine „Gesamtstrategie, um das Land als Arbeitgeber attraktiver zu machen“. Neben mehr Geld pocht er auf Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Mannheimer Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei (SPD) verlangt für Baden-Württemberg eine „Langfrist-Planung bei Stellen“. Er bezeichnet die „seit Jahren“ von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betriebene „Politik der Lehrerstellenstreichung“ als „völlig falsches Signal“. Fulst-Blei rechnet damit, dass es in „fünf bis sieben Jahren“ bei den Lehrern großen Mangel geben werde.

Das Land Hessen sieht sich im Wettbewerb in einer guten Position. Michael Schaich, Sprecher des Innenministeriums, verweist darauf, dass das Bundesland auf dem Arbeitsmarkt „relativ selbstbewusst antreten“ könne. So erhalte jeder Beschäftigte kostenlos ein Landesticket. Es gebe auch eine Fachkräftezulage bis zu 1000 Euro pro Monat. „Hessen ist gut aufgestellt“, sagt er.

Beispiel Polizei: „Wir haben seit Jahren die Regel, dass immer so viel Polizisten eingestellt werden, wie in einem Jahr ausscheiden“, sagt Schaich. Außerdem habe das Land in der vergangenen Legislaturperiode weitere 1520 Stellen besetzt, bis 2023 kämen 750 weitere dazu.

Hessischer „Sonderweg“

Die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser kritisiert, dass Hessen 2004 aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten ist. „Die Beschäftigten dürfen durch den hessischen Sonderweg nicht schlechter gestellt werden als die anderen Länder“, fordert sie mit Blick auf die Tarifverhandlungen. Heini Schmitt, Landeschef des hessischen Beamtenbunds, verweist darauf, dass die Angestellten in Hessen gut dastehen würde: „Bei den Beamten gibt es aber Nachholbedarf seit 2015. Ihnen fehlen 3,5 Prozent, weil die Abschlüsse nicht auf sie übertragen wurden.“

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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