Brüssel. Gute Nachrichten für Europa haben gerade Seltenheitswert. Doch dieser Donnerstag war eine rühmliche Ausnahme. Erst bestätigte das Europäische Statistikamt Eurostat, dass die Arbeitslosigkeit im April keineswegs so explodierte wie befürchtet: Die Quote kletterte in den 19 Ländern der Eurozone lediglich von 6,6 auf 7,3 Prozent gegenüber dem Vormonat. Dann erreichte die Nachricht von dem 130 Milliarden-Konjunktur-Programm der Berliner Koalition die europäischen Stellen. „Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU gibt mit diesem Konjunkturpaket ein Signal des Aufbruchs in die EU“, sagte der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), dieser Redaktion. „Das Vertrauen der Konsumenten wird damit gestützt. Deutschland braucht für den wirtschaftlichen Auftrieb auch die Nachfrage aus den Nachbarländern. Wenn die Investitionsbereitschaft in den EU-Staaten nicht wieder zurückkehrt, dann kann auch Deutschland wirtschaftlich nicht durchstarten. Deshalb sind das deutsche Konjunkturpaket und das europäische Wiederaufbau-Programm die zwei Seiten einer Medaille.“
So sehen das auch führende Wirtschaftsexperten. „Bemerkenswert ist nicht nur der Umfang des Pakets, sondern auch die Tatsache, dass die deutsche Regierung in ihrem fiskalpolitischen Ansatz eine komplette Kehrtwende vollzogen hat“, kommentierte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Bank. „Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa.“ Die Bundesrepublik sei „vom Sparmeister zum Großspender“ geworden.
Ratspräsidentschaft ab Juli
Tatsächlich kommt Hoffnung auf. „Wenn Deutschland so investiert, zieht es alle anderen mit“, meinte ein hochrangiger EU-Diplomat in Brüssel – und sprach damit aus, was nun alle erwarten: Die Bundesregierung zeige Entschlossenheit im eigenen Land, sei aber auch solidarisch mit den europäischen Partnern. Spätestens an dieser Stelle folgte dann am Donnerstag in allen Gesprächen der Hinweis darauf, dass die 130 Milliarden für das eigene Land ziemlich genau dem Anteil am Wiederaufbau-Fonds entsprächen, den Berlin übernehmen werde. Man darf das Führungsrolle nennen.
Die Signale kommen zur rechten Zeit. Am 1. Juli übernimmt Berlin die EU-Ratspräsidentschaft, die alle sechs Monate unter den Mitgliedstaaten rotiert. Formell bedeutet dies vor allem, dass die Bundesregierung in den wichtigen Ministerräten den Vorsitz innehat und Entscheidungen vorbereitet. Als „übergreifende Priorität“ gilt dabei, „alle geeigneten Maßnahmen umzusetzen, die einer robusten Erholung der europäischen Wirtschaft dienen“, heißt es im Entwurf eines Programms. Einfach wird das nicht.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Hoffnung