Schiefe Bahn

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Die Tage des Bahnchefs dürften gezählt sein. Hartmut Mehdorn hat inzwischen so viel Kredit verspielt, dass selbst seine letzten Getreuen in der Bundesregierung ihn kaum noch halten können. Bislang war die Kanzlerin nicht bereit, Mehdorn als Figur auf dem politischen Schachbrett zu opfern, solange die SPD an ihrem ebenfalls nicht unumstrittenen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee festhalten kann. Mit jeder weiteren Information über die Ausspähung der Bahn-Mitarbeiter wird Mehdorn aber zunehmend zur Hypothek für Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin kann diese Personalie nicht länger aussitzen, andernfalls riskiert sie Zweifel an ihrer Entschlusskraft und Handlungsfreiheit.

Ein Mehdorn wird sich nicht mehr ändern. Uneinsichtig und über jede Selbstkritik erhaben, ja, seinen Ruf als Rambo-Manager geradezu kultivierend, sucht er auch jetzt wieder den Kampf gegen den Rest der Welt. Doch der Bahn-Spitze glaubt keiner mehr, dass die Schnüffelei allein der - an sich verdienstvollen - Bekämpfung des Korruptionsunwesens gewidmet war. Und Mehdorn soll von der ganzen Späh-Aktion nichts gewusst haben? Wie auch immer - er verteidigt sie kategorisch und zimmert eigenes Recht, es mit den gesetzlichen Regeln vom Datenschutz bis zur Betriebsverfassung nicht so genau zu nehmen.

Entlarvend, wie er sich einem Rücktritt mit dem Verweis auf seine wirtschaftlichen Erfolge verweigert. Dagegen stehen Mehdorns Fehlschläge von der verkorksten Preisreform bis zum "Bedienzuschlag" für den Fahrkartenverkauf, die dem Ansehen des Konzerns schadeten. Ob ein Unternehmen gut aufgestellt ist, ist nicht nur eine Frage der Rendite, sondern zeigt sich auch an der Motivation seiner Mitarbeiter, an der Zufriedenheit der Kunden und an der Qualität des Produkts. Bevor nun alle denken, dass zur Kultur eines Staatsunternehmens auch das Bespitzeln zählt, sollte die Bundesregierung den Schaden schnell begrenzen.